#Strassenausbau

Stopp dem Strassenausbau

VCS Magazin 1/23  21. Februar 2023

Einst waren sie Synonyme für Fortschritt und Modernität, heute verkörpern sie die Mobilität von gestern: die grauen Autobahnen, die die Schweizer Landschaft durchziehen. Es ist an der Zeit, die Vormachtstellung des Privatautos zu beenden und Platz für zukunftsweisende Lösungen zu schaffen, die sowohl die Natur als auch den Menschen respektieren.

Fünf Kleeblätter und ein verspäteter Sonderweg

Hans Kaspar Schiesser

Die Schweiz begann spät mit dem Autobahnbau. Ging es um 1960 autoritär und mit brachialer Betongewalt zu und her, wurden Nationalstrassen später sanfter der Landschaft angepasst. Auch wegen des Widerstandes des VCS. Die Gegenwehr erreichte im Knonaueramt um 1988 herum einen Höhepunkt.

Im Jahre 1927 stiess der Basler Schlosserlehrling Willy Sarbach in einer Ausstellung auf die Preisfrage: «Wie können sich nördlich der Alpen noch nirgends realisierte Hochleistungsstrassen mit vier Spuren konfliktfrei kreuzen?» Ausgeschrieben hatte die Preisfrage ein deutscher Verein namens «HaFraBa». Das Kürzel bedeutete Hamburg-Frankfurt-Basel.

Sarbachs nachher gebräunte Idee

Sarbach guckte sich in Basel diverse verschwurbelte Modelle einer solchen Kreuzung an. Dann hatte er eine Idee, die heute so geläufig ist wie der Schraubverschluss einer Petflasche. Er erfand das Autobahn-Kleeblatt. 1929 bekam er vom Amt für Geistiges Eigentum in Bern dafür ein Patent. Da wusste er noch nicht, dass in den USA schon 1916 ein Bauingenieur namens Hale eine ähnliche, wenn auch noch nicht ausgereifte Idee gehabt hatte.

Aber mit den Autobahnen ging es noch nicht recht vorwärts. Erst 1933 entdeckten die Nazis den Wert der Schnellstrassenidee samt Sarbachs Kreuzungs-Geniestreich. Im Mai 1935 gingen 22 Kilometer der «HaFraBa» bei Darmstadt in Betrieb. 1938 wurde nach Sarbachs Plänen das Schkeuditzer Kreuz bei Leipzig fertiggestellt. Die deutschen Autobahnen, von denen bis 1943 fast 3900 Kilometer gebaut wurden, senkten in der Folge tatsächlich kurz die Arbeitslosenzahlen. Als der Krieg ausbrach, schufteten an den vierspurigen Strassen aber vor allem Kriegsgefangene.

Der Schweizer Autobahn-Sonderweg

Die Schweiz hatte also 1929 einen ganz kleinen Beitrag zur Geschichte der europäischen Hochleistungsstrassen geleistet, noch bevor die ihre Unschuld verloren. Für etwa 30 Jahre verabschiedete sich die Schweiz, um erst ab den 60er-Jahren doch noch aktiv zu werden.

Als es in der Schweiz endlich vierspurig losging, zuerst 1955 herzig-klein in Horw bei Luzern, 1962 ernsthaft am Grauholz bei Bern und vor allem zur Expo 64 zwischen Genf und Lausanne, waren schon lange keine technischen Primeurs mehr möglich. Aber wie wir Schweizerinnen und Schweizer nun mal sind: Bis zu den total 2254 Kilometern des heutigen Nationalstrassennetzes waren wir beim Rekordaufstellen doch öfters emsig dabei.

Und trotzdem Rekorde

Nur gerade die Niederlande haben in Europa, bezogen auf Autobahnkilometer pro Landesfläche, ein dichteres Netz. Nach dem Motto: Wir können es uns leisten – nach dem dichtesten Eisenbahnnetz auch noch das zweitdichteste Autobahnnetz. Mobilitäts-Superluxus. Und apropos sichleisten-können: Die Schweiz baut auch die teuersten Autobahnen. In Deutschland kostet ein Kilometer um die 30 Millionen Franken. Bei der Transjurane N 16 hat der Kilometer 70 Millionen erfordert. Aktuell bezahlt das Amt für Strassen bei der Umfahrung Visp für viereinhalb Kilometer 450 Millionen. Gelegentlich bezahlte man für einzelne Kilometer auch schon eine Viertelmilliarde.

Die Schweizer Autobahnen werden zwar immer als Transitstrecken verkauft. Aber in Wirklichkeit sind sie Mitteldistanz-Pendlerstrassen.

Das ist auch einem weiteren Europa- Rekord geschuldet. Die Dichte der Anschlüsse ist nirgends höher. Die Schweizer Autobahnen werden zwar immer als Transitstrecken verkauft. Aber in Wirklichkeit sind sie Mitteldistanz-Pendlerstrassen. Man fährt morgens in Neuenhof drauf und acht Kilometer weiter in Dietikon wieder drab, abends umgekehrt. Sechs Minuten muss man nicht auf lästige Velofahrerinnen oder bremsende Fussgängerstreifen achtgeben.

Die Geldschwemme beim Autobahnbau ist, beziehungsweise war, lange auch ein helvetisches Unikum. 1962 trat mit dem Treibstoffzollzuschlag eine Regelung in Kraft, welche die Autobahnfinanzierung automatisierte. Sie trotzt bis heute praktisch allen Sparübungen und Defizitbegrenzungen.

Autobahn und Demokratie: kurvig

Die halbdirekte Demokratie hätte in der Sonderfallaufzählung auch noch als weiterer Punkt Platz gehabt. Aber leider funktionierte diese Demokratie vor allem zu Beginn des Autobahnzeitalters schlechter als ein Benziner mit Dieselfüllung. Das war zum Beispiel Robert Ruckli, dem damaligen Direktor des Bundesamtes für Strassenbau, zu verdanken, der, nun endlich mal von renitenten Bedenkenträgern befreit, mit Bauen loslegen wollte. Er erklärte, wie Thomas Schärer in seinem brillanten Aufsatz «Vom Kampf gegen den Beton» 1999 darstellte, «dass er sich nicht an ein Abstimmungsresultat halten würde, das der Auffassung seines Amtes entgegenstehe».

Morges im Kanton Waadt etwa wurde durch die Expo-Autobahn brutal mittendurch geteilt, trotz aller Unisono-Proteste. Oder ein Bild des kurzen Horwer Autobahn-Teilstücks 1955 zeigt, wie die Autos auf der linken Spur zwei Meter neben Wohnhäusern vorbeiknatterten, abgetrennt vom Wohnbereich durch einen gerade mal 90 Zentimeter hohen Maschendrahtzaun. Auf der Südseite führt ein Wanderweg mit minimaler Rasenabgrenzung
und ohne Zaun der Doppelspur Richtung Uri entlang. Für frühe Abgas-Junkies.

Widerstand gegen den Irrsinn

Zum Glück wurde, sogar noch ohne VCS, nicht der gesamte geforderte Irrsinn realisiert. Sonst querte jetzt in Bern eine  sechsspurige Autobahn die Schanze unter der Universität und verhinderte jeden Bahnhofausbau. Und Zürich hätte ein neues Inselchen im See. Es hätte der Abstützung der Autobahn quer über das Wasser gedient, die den Blick von der Schanzenbrücke aufs Vrenelisgärtli für immer verhindert hätte. Die Brutalo-Brücke über Flamatt zeigt heute noch, dass das eidgenössische Motto «me mues halt rede mitenand» zu Beginn der Autobahnbegeisterung nicht viel galt.

Sozusagen mit Hilfe von ganz oben opponierte das Kapuzinerkloster in Faido erstmals erfolgreich gegen eine Linienführung mitten durch ein Dorf. Die Gotthard-Autobahn brummt seither auf der andern Talseite 24/7. Die Rawil- Autobahn zwischen Berner Oberland und Wallis scheiterte 1986 als wahrscheinlich einzige ganz, teils wegen einer erfolgversprechenden grünen Initiative, teils wegen zu erwartender Schäden an einem nahen Stausee.

Auch das Zürcher Ypsilon blieb unvollendet, nun bereits dank dem Widerstand einer Organisation, die erst um 1979 zu wirken begann und eine Art Abspaltung des grünen Flügels des TCS war: des VCS. Die Ypsilon-Idee, zwei Autobahnen bei der Letten mitten in der Stadt zusammenzuführen, war schon 1955 geboren. 1962 segnete der Bundesrat das Projekt ab. In den frühen Siebzigern gewann der Widerstand gegen das Monsterbauwerk unmittelbar neben der City an Kraft.

Allerdings gingen zwei Volksinitiativen 1974 und 1977 noch verloren. 1986 wurde die Vollendung des Ypsilons aber still und gesichtswahrend für den Bund beerdigt. Spätere Dankesschreiben des Bundes, dass die Ökos verhindert hatten, Zürich an der Limmat massiv zu verschandeln, sind bis heute keine bekannt.

Kleeblätter zwei bis fünf

1960 hatte man damit gerechnet, dass die rund 1500 Kilometer Nationalstrassen den Bund um die zwölf Milliardenkosten würden. Bis heute sind es etwa 100 Milliarden geworden. 2022 betrugen die Aufwendungen für Unterhalt, Erneuerung und minimen Neubau drei Milliarden.

1960 hatte man damit gerechnet, dass die rund 1500 Kilometer Nationalstrassen den Bund um die zwölf Milliardenkosten würden. Bis heute sind es etwa 100 Milliarden geworden.

Als der Höhepunkt des Bauens an den Autobahnen in den 80er-Jahren bereits überschritten war, schien es der rasant erstarkten Ökobewegung sinnvoll, zumindest Autobahnen mit geringer Nachfrage oder landfressende Parallelführungen mit Initiativen zu bekämpfen. Auch heute zeigt sich immer noch, dass einige Autobahnabschnitte wie die Transjurane mit einem Tagesverkehr von 14 400 oder die Gotthard-Autobahn mit einem Schnitt von 22 800 Durchfahrten nicht wesentlich stärker frequentiert sind als manche Ortsdurchfahrt.

Unter der Federführung des VCS kamen 1987 die vier sogenannten Kleeblatt-Initiativen zusammen: Gegen die Linie Zuchwil–Biel, gegen die Trasse durchs Knonaueramt, gegen Yverdon-Murten und die Transjurane. Die vierte Initiative wurde zurückgezogen.

Nie dagewesene Phantasie

Schon fast zu einem Mythos des Widerstandes gegen ökologieschädliche Grosstechnologie ist die Opposition gegen die N4 im Säuliamt geworden. Die «Arbeitsgruppe autobahnfreies Knonauer Amt», der VCS, vor allem aber die «Jungen Säuliämter» realisierten nicht nur schwierige Koalitionen mit Bürgerlichen, etwa den Bauernorganisationen. Sie hatten auch die Unterstützung aller lokalen Kulturorganisationen und entwickelten eine noch kaum je dagewesene Phantasie im Widerstand, legal und gewaltfrei. Der Videofilm zur N4 gewann einen Filmpreis in Lugano. Und vor dem Rathaus in Zürich tummelten sich zum Protest auch einmal Säuliämtler Kühe.

Dennoch gingen die drei Volksinitiativen 1990 verloren, mit nur 31 bis 34 Prozent Ja. Schärer analysierte den Stimmungswandel so: «Das Interesse an Umweltfragen, das im Zuge der Debatte um das Waldsterben und nach den Katastrophen von Tschernobyl und Schweizerhalle Mitte der 80er-Jahre breite Bevölkerungsschichten erfasst hatte, war bereits wieder abgeklungen. Zudem verlagerte sich in einer Zeit wirtschaftlicher Stagnation das Interesse auf Themen wie Arbeitsplätze und soziale Sicherheit.»

Den richtigen Zeitpunkt für Abstimmungen in einer Demokratie mit langen Behandlungsfristen zu finden, ist immer knifflig und risikoreich. Dass die Schweizer Autobahnen nach all diesem Widerstand relativ ökologischer wurden, war für die Bewegung insgesamt aber ein eher schwacher Trost.

Die «HaFraBa» in Deutschland wurde übrigens 1962 fertig. In Freiburg im Breisgau, wo die Schweizer BMW-Fans sich gerne mit 190 km/h austoben, wurde das letzte Teilstück eröffnet. Mit wieder einem kleinen, diesmal tragischen Schweizer Beitrag. Bei Neuenburg, zwischen Basel und Freiburg, war kurz vorher auch ein neuer Abschnitt eröffnet worden. Den wollte sich ein Schweizer Fussgänger, noch ohne Autobahnerfahrung im eigenen Land, genauer direkt auf der Fahrbahn anschauen. Er wurde überfahren.

Hans Kaspar Schiesser war in den Neunzigern Leiter der Verkehrspolitik beim VCS.

Das schlechteste aller Verkehrsmittel

Selim Egloff

Der stetige Ausbau der Autoinfrastruktur trotzt jeglicher Vernunft und hat Folgen, die weit über die Klimakrise hinausgehen. Warum die jetzige Politik gleich mehrfach in die Sackgasse führt.

Es staut auf den Schweizer Strassen. Die Staustunden haben in den letzten Jahren, mit Ausnahme eines «Coronaknicks», kontinuierlich zugenommen. Das Schweizer Autobahnnetz ist zu Spitzenstunden punktuell ausgelastet bis zur Kapazitätsgrenze oder auch darüber hinaus. Die neuralgischen Stellen und deren Umfahrungsmöglichkeiten gehören längst zum Allgemeinwissen – nicht zuletzt, weil man sie mehrmals täglich im Radio ungefragt vorgetragen bekommt.

Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien sprechen unaufhörlich vor einem Verkehrsinfarkt, der drohe, das Land lahmzulegen. Hat man die Versprechungen der Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte im Ohr, kommt die Dauerkrise im Strassenverkehr doch einigermassen überraschend. Das Nationalstrassennetz ist zu grossen Teilen nicht viel älter als 30 Jahre und die früher eröffneten Abschnitte wurden bereits mehrfach ausgebaut. Bei jedem dieser Ausbauprojekte war die Begründung dieselbe: «Der Verkehr wird flüssiger. Endlich freie Fahrt für alle!» Und gleichwohl steht die nächste und inzwischen dritte Generation von Autofahrerinnen und Autofahrern wieder vor den exakt gleichen Problemen.

Dabei wird der existierende Strassenraum in der Schweiz, er macht bereits über einen Viertel der gesamten Siedlungsfläche aus, spektakulär ineffizient genutzt. In den immer grösser werdenden Autos auf Schweizer Strassen sitzen im Pendelverkehr im Durchschnitt nur 1,1 Personen und selbst im Freizeitverkehr sind sie mit 1,9 Personen nicht mal zur Hälfte gefüllt. Den Verkehrsinfarkt mit immer neuen Bypässen abwenden zu wollen, ist der falsche Weg. Der Autoverkehr der Zukunft braucht in erster Linie eine Diät.

    

Die neuralgischen Stellen und deren Umfahrungsmöglichkeiten gehören längst zum Allgemeinwissen – nicht zuletzt, weil man sie mehrmals täglich im Radio ungefragt vorgetragen bekommt.

    

Eine überholte Logik, …

Unbeeindruckt davon folgt das Bundesamt für Strassen ASTRA der veralteten Logik, Verkehrsprobleme mit mehr Strassen zu begegnen. Dabei sind dem ASTRA die Risiken und Nebenwirkungen längst bekannt und auch die Verkehrswissenschaft ist sich einig: «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten.» So plant das ASTRA beispielsweise für 2040 bereits den Ausbau des Felsenauviadukts bei Bern. Schliesslich weiss man bereits heute, dass die «Entlastungsmassnahme» am Grauholz – den für dieses Jahrzehnt geplante Achtspur-Ausbau östlich von Bern – auf diesem benachbarten Teilstück innert Kürze zu neuen Engpässen führen wird. Dieses Phänomen nennen Fachleute «induzierte Nachfrage».

… die mehr schadet, …

Der Bau von neuen Strassen führt demnach nur kurzfristig zu einer Entlastung. Die neu geschaffene Kapazität schafft sofort Anreize für mehr Verkehr: Mehr Menschen zählen darauf, die Strecke in ihrem Alltag rasch zurücklegen zu können, und richten ihren Wohn- und Arbeitsort oder ihre Freizeitaktivitäten darauf aus.

Bei einem Ausbau der Autobahnen nimmt also auch die Anzahl der zurückgelegten Kilometer zu, da bei freier Fahrt dieselbe Strecke zwar schneller, aber eben auch häufiger befahren wird. Damit dreht sich die Spirale weiter, bis die Kapazität erneut erschöpft ist. Daher ist auch das Argument irreführend, Ausbau sei ein Rezept gegen die schädlichen Emissionen während eines Staus.

Dem völlig überdimensionierten Netzbeschluss des Bundes aus den 60er-Jahren liegt die Idee der «autogerechten» Stadt zugrunde: Die Ortszentren sollten nach amerikanischem Vorbild mit mehrspurigen Hochleistungsstrassen erschlossen werden. Nur dank dem aktiven Widerstand der lokalen Bevölkerung konnten in früheren Jahren die schlimmsten Projekte verhindert werden. Was trotzdem gebaut wurde, klafft teilweise bis heute wie eine grosse Wunde im Stadtbild. Geblieben sind die Verkehrsprobleme – und sie werden noch schlimmer.

… mit Risiken …

Die Bevölkerung hat längst verstanden, dass dieses System so nicht funktionieren kann. Der Verkehr der einen ist in erster Linie immer auch die Belastung der anderen. In den Städten zeigt sich dies besonders deutlich. Nirgendwo sind die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs auf die Luftqualität, die Lärmbelastung und die Sicherheit der ungeschützten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer deutlicher zu sehen. Gleichzeitig ist der Anteil an Haushalten, die kein eigenes Auto besitzen, genau dort am grössten.

Zudem ist der dichte Autoverkehr einer der meistgenannten Gründe, warum sich in der Schweiz viele Menschen davor fürchten, mit dem Fahrrad oder zu Fuss unterwegs zu sein, obwohl sie es gerne wären. Für Kinder, ältere Leute und die vielen Menschen, die schlicht nicht Auto fahren können, ist diese Barrierewirkung des heutigen Strassenverkehrs umso heftiger.

… und Nebenwirkungen
Zu den unerwünschten Nebenwirkungen gehören aber auch Effekte, die fernab der Autobahnen auftreten. Denn der Ausbau der Hauptverkehrsachsen zerstört nicht nur direkt wertvolles Kulturland und zerschneidet Biodiversitätsflächen, sondern zeigt seine negativen Folgen weit darüber hinaus.

Je mehr Menschen in Autos unterwegs sind, desto mehr Parkplätze bei Supermärkten, Freizeitanlagen und Arbeitsplätzen müssen erstellt werden. Schliesslich braucht jede Autofahrt immer mindestens am Start und am Ziel einen Parkplatz. Je mehr Lebensraum wir dem Autoverkehr opfern, desto eher ziehen die Menschen in schlecht erschlossene Gebiete, um dem Verkehr zu entfliehen, und lassen ihre Einfamilienhäuser mit Carport auf der grünen Wiesen bauen.

Der Autoverkehr der Zukunft braucht in erster Linie eine Diät.

Ungesunde Ablagerungen

Besonders fatal sind die Folgen des ständigen Strassenausbaus für das Ökosystem und die Gesundheit. Werden Waldflächen gerodet, finden zwar zum Ausgleich Aufforstungen statt. Doch auch diese gehen zulasten der Landwirtschaftsfläche. Das führt zu einem immer weiteren Rückgang des sowieso schon knappen Kulturlands, schwächt die Schweizer Landwirtschaft und letztlich damit auch die Versorgungssicherheit. Ganz zu schweigen von der immensen Belastung dieser Böden durch die Schwermetalle aus den Auspuffen.

Auch durch Elektroautos lassen sich längst nicht alle Umweltprobleme lösen. Denn selbst wenn in Zukunft alle Autos elektrisch fahren, bleibt der Reifenabrieb die grösste Quelle für Mikroplastik. Dieser sammelt sich an den entlegensten Orten der Welt an und verunreinigt die Gewässer und unsere Körper. Bestens bekannt ist zudem die schädliche Wirkung des Verkehrslärms. Der lässt sich ab Tempo 30 nicht mehr wegelektrisieren, da das Rollgeräusch der Reifen lauter ist als der Motor.

Auch finanziell sind neue Strassen kaum zu verantworten. Mit dem Geld, das für die sogenannte Teilspange in St. Gallen veranschlagt ist, könnte man das in den 50er-Jahren dem Autowahn geopferte Tramnetz reaktiveren.

Nötig: effizientes Verkehrssystem

Der Autoverkehr ist das mit Abstand flächenineffizienteste Verkehrsmittel und bietet in unserem dicht besiedelten Land keine zukunftsfähige Lösung. Gerade diejenigen, die sich aufgrund des Bevölkerungswachstums um die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur sorgen, sollten sich für ein flächeneffizientes und ressourcenschonendes Verkehrssystem einsetzen, das die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden an erste Stelle stellt, anstatt diese mit noch mehr Blech von den Strassen zu vertreiben. Wer sich also von mehr Autobahnen einen besseren Zugang der Menschen zur Mobilität verspricht, erreicht damit genau das Gegenteil.

Selim Egloff ist Projektleiter Verkehrspolitik beim VCS Schweiz. Er freute sich in seiner Jugend darüber, dass der Autobahnanschluss unter seinem Kinderzimmerfenster nie gebaut wurde.

Jetzt ist genug Strasse

Nelly Jaggi

Wer heute neue Umfahrungsstrassen und Autobahnerweiterungen fordert, ignoriert gewichtige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Veränderungen der letzten Jahre. Im Kanton Bern hat das Stimmvolk im März das letzte Wort.

In den letzten Jahren wurde dem weiteren Wachstum des Autoverkehrs wiederholt eine klare Absage erteilt und Alternativen gefordert. Städteinitiativen oder bedeutende Gegenvorschläge wurden mit grossen Mehrheiten angenommen. In Bern hat sich das Stimmvolk mit der Annahme des Klimaschutzartikels zur Klimaneutralität bis 2050 bekannt.

Dennoch sind allein im Kanton Bern sieben Autobahn-Ausbauprojekte in der Pipeline. Die imposante Acht-Spur- Erweiterung beim Grauholz steht als eines von fünf Vorhaben auf der Liste des Strategischen Entwicklungsprogramms STEP Strassen 2023. Dass eine solch brachiale Erweiterung nicht dem Zeitgeist entspricht, zeigt der Widerstand: Er kommt aus der Bevölkerung, aber auch von der Berner Stadtregierung. Zwar agiert der Bundesrat im Rahmen des Fonds für Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF), doch die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Veränderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, dürfen dabei nicht einfach ignoriert werden.

Widerstand erfolgreich

Bereits konkrete Früchte getragen hat im Kanton Bern der Widerstand gegen zwei weitere Strassenbauvorhaben. Die VCSSektion Bern hat mit Partnern gegen die geplanten Umfahrungsstrassen im Emmental und im Oberaargau erfolgreich das Referendum ergriffen und damit gezeigt, dass die beiden teuren und umweltschädigenden Projekte von zahlreicher Seite unerwünscht sind.

Bei der millionenteuren Umfahrung in Aarwangen steht ein Projekt auf dem Prüfstand, das seinen Ursprung vor 30 Jahren hat und damit völlig aus der Zeit fällt. Beide Vorhaben widersprechen der Gesamtmobilitätsstrategie des Kantons Bern, die auf vermeiden, verlagern, verträglich gestalten und vernetzen setzt. Gerade die digitale Vernetzung, also der kombinierte Gebrauch unterschiedlicher Verkehrsmittel und das vermehrte Teilen von Fahrzeugen, müsste die Effizienz des Verkehrssystems erhöhen – mit Blick auf die geplanten zusätzlichen Strassen ein Widerspruch.

Es gibt Alternativen

Wie so oft wird der Strassenausbau der lokalen Bevölkerung als einziger Ausweg schmackhaft gemacht. Die betroffenen Ortschaften Aarwangen und Oberburg haben unbestritten ein Verkehrsproblem, doch die schlichte Verlagerung darf nicht die Lösung sein.

In Aarwangen steht als Alternative eine Tunnelvariante für die zurzeit strassengebundene Führung der Bahn, die Solothurn mit Langenthal verbindet, zur Diskussion. «Einmal mehr untergräbt der Kanton Bern seine eigenen Prinzipien und hält stur an der Betonplanung fest. Dabei gibt es nachhaltige Alternativen, wie zum Beispiel die Ideenskizze der Bahn-Untertunnelung von Aarwangen zeigt, die aber nie geprüft worden sind», sagt Christoph Waber von der zuständigen VCS Regionalgruppe. Und auch für das Emmental gäbe es bessere, weniger schädliche und günstigere Lösungen.

 

Auch beim Blick auf weitere Ausbauvorhaben zeigt sich, dass Konzepte aus grauer Vorzeit nicht dem aktuellen Volkswillen entsprechen.

Referendum als Ultima Ratio

Auch beim Blick auf weitere Ausbauvorhaben zeigt sich, dass Konzepte aus grauer Vorzeit nicht mehr dem aktuellen Volkswillen entsprechen. Beim Widerstand gegen den Bieler Westast haben Sachlichkeit, Fachwissen, Geduld, Hartnäckigkeit und die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern zum Erfolg geführt. 2020 haben die Zürcher Stimmberechtigten das Vorhaben Rosenbergtunnel bachab geschickt, im Herbst 2021 sagte die Nidwaldner Stimmbevölkerung Nein zur Entlastungsstrasse Stans West.

All dies zeigt: Es braucht eine Neuausrichtung beim Strassenbau. Sollten die eidgenössischen Räte einer Fortschreibung des Programms STEP Strassen in der derzeit völlig überholten Form zustimmen, sähe sich der VCS das Referendum zu ergreifen.

    

Europäische Autobahnen auf der Bremsspur

Camille Marion

Auch jenseits der Schweizer Grenzen macht sich Unmut über die überholte Strassenplanungs- und -entwicklungspolitik bemerkbar. Etwa in Deutschland und in Grossbritannien.

«Wir fahren auf der Autobahn in die Klimahölle – mit dem Fuss auf dem Gaspedal.» Mit dieser aufrüttelnden Botschaft eröffnete António Guterres im letzten November die UNOKlimakonferenz COP27 in Ägypten. Damit erinnerte der UNO-Generalsekretär daran, dass das Klima unsere Jahrhundertherausforderung ist.

Gaspedal und Klimahölle sind insofern passende Metaphern, als der Strassentransport den höchsten Anteil der weltweiten Emissionen im Verkehrsbereich ausmacht. Im europäischen Klimagesetz ist das Ziel netto null Treibhausgasausstoss per 2050 festgelegt. Das Europaparlament hält die EU-Mitgliedsstaaten an, auf nationaler und internationaler Ebene die notwendigen Massnahmen zu treffen, damit Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent wird.

Im Verkehrsbereich beziehen sich die meisten Massnahmen auf Treibstoffe mit geringem Kohlenstoffgehalt oder Elektroautos sowie die Förderung des Umsteigens auf öffentliche Verkehrsmittel. Allerdings spielen bei der Definition einer umweltfreundlichen Mobilität die Strasseninfrastrukturen eine zentrale Rolle. Jüngste Beispiele aus Deutschland und Wales sollten den Nachbarländern als Vorbild dienen.

Deutschland: in Zukunft investieren

Die Liebesgeschichte zwischen Deutschland und dem Auto ist kurvenreich: Das Land der innovativen Autobauer und der Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen wird von der Umweltproblematik eingeholt. In einer landesweiten Umfrage sprachen sich vier von fünf Befragten für den Verzicht auf neue Autobahnen aus, wenn sich damit das Klima schützen lässt.

Das Land der innovativen Autobauer und der Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen wird von der Umweltproblematik eingeholt.

In Auftrag gegeben hatte die Umfrage Greenpeace. Die Organisation findet, der Klimaschutz werde in der aktuellen Verkehrsplanung überhaupt nicht berücksichtigt. «Bisher werden nur wirtschaftliche Kriterien und die Verkehrsentwicklung einbezogen. Dabei hängt es von der Infrastruktur ab, ob die CO2-Emissionen endlich sinken werden», bedauert Greenpeace.

In seinem Bundesverkehrswegeplan legt das deutsche Verkehrsministerium die Prioritäten der nächsten 15 Jahre für die Bundesfernstrassen, das Schienennetz und die Wasserstrassen fest. Der derzeitige Bundesverkehrswegeplan gilt bis 2030, kann aber noch Änderungen erfahren, was aus der Perspektive von Greenpeace so nötig wie dringend ist, weil neue Autobahnen zur Zerstörung riesiger Wald-, Weide- und Heideflächen führen werden. Zum guten Glück läuft zurzeit eine Bedarfsabklärung, die von einem Dialogprozess zwischen Behörden und Umweltverbänden begleitet wird.

Wales: innehalten und überlegen

Auch im Vereinigten Königreich steht die Strassenverkehrsplanung an einem Wendepunkt. In Wales haben die Behörden
alle künftigen Strassenneubauprojekte aufs Eis gelegt, um deren Relevanz zu überprüfen.

«Wir müssen vom Investieren in Projekte wegkommen, die die Leute zum Herumfahren anregen, dagegen mehr Geld
für den Unterhalt bestehender Strassen ausgeben und in echte Alternativen investieren, die den Leuten wirklich die
Wahl lassen», erklärte Vize-Klimaminister Lee Waters denn auch.

Im Rahmen der Überprüfung soll festgelegt werden, wie die Behörden die vorhandenen Mittel in einen besserenUnterhalt der bestehenden Strassen statt in Neubauprojekte stecken können. Gefördert werden sollen dabei nicht zuletzt neue Busspuren und Velowege.

Richtungswechsel

Der Klimanotstand ist überall in Europa auf der Strasse gelandet. Angesichts des zunehmenden Unmuts gegenüber aus
der Zeit gefallenen Autobahnprojekten werden in Behördenkreisen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen
zur Reduktion des Schadstoffausstosses salonfähig. Mancherorts setzen Aktivistinnen und Aktivisten auf zivilen Ungehorsam und blockieren den Verkehr. Jedenfalls werden sowohl auf Ebene der Behörden als auch im Volk Forderungen laut, den Strassentransport grundsätzlich zu überdenken. Solche Debatten sind notwendig; ein Richtungswechsel
drängt sich immer mehr auf.

 

Auf neuen Wegen gehen

Andreas Käsermann

Dass das alte Rezept mit neuen Strassen zur Bewältigung des Verkehrs nicht so richtig funktioniert, ist beileibe kein Geheimnis. Nichtsdestotrotz setzt der Bund auf noch mehr Strassen. Ein Anachronismus – immerhin einer mit Alternativen.

Erinnern Sie sich an Marty McFly? Der Gitarre spielende, adoleszente Skateboarder aus der «Back to the Future»-Trilogie, der stets in Jeans und Flanellhemd schlief? Dieser Marty McFly hat zusammen mit dem gleichermassen wirren wie genialen Tüftler Doc Brown die Vergangenheit ebenso bereist wie die Zukunft.

Etliche Prophezeiungen aus den 80er-Jahre-Filmen haben sich bislang nicht bewahrheitet. Etwa, dass Autos fliegen können und der Strassenverkehr auf stark frequentierten Highways hoch im Himmel vonstattengeht. In einem Punkt behielt der kultige Science-Fiction-Klamauk indes Recht: Es wird eng auferdgebundenen Strassen. Dabei hätten wir einiges zur Hand, das hülfe.

Die letzten drei Jahre mit Corona haben uns gelehrt, dass Homeoffice in vielen Bereichen möglich ist – auch dank der fortschreitenden Digitalisierung. Würden als Pandemie-Lehre alle Arbeitnehmenden einmal wöchentlich zu Hause arbeiten, fielen durchschnittlich 20 Prozent der Pendelfahrten weg. Wenn überdies alle von den Vorzügen flexibler Arbeitszeiten profitieren können, würden die Engpässe im Berufsverkehr zusätzlich entschärft. Die Folge wären minder
vollgepfropfte Züge und Busse und weniger Autos, welche sich in Staus einreihen.

Autos besser auslasten

Der Grossteil der Autos ist heute mit einer Einzelperson unterwegs. An einer beispielhaften Kreuzung mit Ampeln fahren so zur Hauptverkehrszeit während fünf Grünphasen etwa 80 Personen stadteinwärts. Bei vollbelegten Autos könnten es um die 300 sein.

Nun wäre es ja nicht das Ziel, möglichst viele Menschen stadteinwärts fahren zu lassen, sondern nur jene, die dort auch hin müssten. Die Zahl der vorbeifahrenden Autos würde darum bei Vollbelegung an der fraglichen Kreuzung um über 70 Prozent sinken. Das ist ein schlagendes Argument für Carpooling: das Fahrzeug wird gleichzeitig von mehreren Personen genutzt, welche dieselbe Strecke fahren. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund bedeutet das alleine benutzte Auto aber offenbar für viele immer noch Freiheit – wenn auch eine, die nicht selten im nächsten Stau jäh endet.

Wider den Verkehrskollaps

Carpooling: Mittels Carpooling lassen sich Autofahrten besser auslasten. Mehrere Personen mit selbem
Ziel oder gleicher Fahrtrichtung bilden Fahrgemeinschaften. Wie solche organisiert werden können,
erfahren Sie unter www.verkehrsclub.ch/carpooling

Carsharing: In der Schweiz ist in erster Linie Mobility als Branchenprimus bekannt. Doch Autoteilen geht
auch in der Nachbarschaft als private Initiative. Mehr erfahren Sie unter www.verkehrsclub.ch/autoteilen

Carfree-Initiative: Das beste Auto ist jenes, das gar nicht gebaut wird. Gemäss Bundesamt für Statistik
verzichtet mehr als ein Fünftel der Schweizer Haushalte auf ein eigenes Auto. In den Städten ist es fast die
Hälfte der Haushalte; viele kombinieren dabei Carfree mit Carsharing. Infos zur Carfree-Initiative
unter www.vcs-carfree.ch

Masterplan «fossilfreie Mobilität»: Der VCS hat aufgrund einer Mobilitätsstudie mit mehreren Zukunftsszenarien
einen Masterplan ausgearbeitet, mit welchem der Verkehr der Zukunft ohne fossile
Treibstoffe auskommt. Details unter www.verkehrsclub.ch/fossilfrei

Simulation mit künstlicher Intelligenz

Offenbar vermag dieser Umstand aber nicht ernsthaft zu stören. Die neuralgischen Stellen werden zuverlässig jeden Tag zuhauf angesteuert. Das interessiert das Institut für Verkehrsplanung der ETH Zürich. Dort wird in Computersimulationen erforscht, wie sich Veränderungen eines Verkehrssystems auswirken.

Dazu werden Daten zum realen Verkehrsaufkommen. Die Forschenden generieren virtuelle Verkehrsteilnehmende und nennen diese «Agents». Deren Wissensstand ist anfangs bei 0 und sie enden zunächst zuverlässig im simulativ entstehenden Stau – fast wie die echten Menschen. Die «Agents» sind aber lernfähig und versuchen bei jedem weiteren Durchgang der Simulation das Fahrverhalten und die Route zu optimieren. Dank der gespeicherten Daten sind sie dazu besser in der Lage als der Mensch hinter dem Lenkrad, dessen Horizont im Stau an der Heckscheibe des nächsten
Wagens endet.

Die Erkenntnisse aus der ETH-Simulation helfen Verkehrsplanerinnen und -planern bei der Justierung von Steuerungsmassnahmen. Sie zeigen aber auch, ob ein geplanter Ausbau oder eine neue Umfahrung die gewünschte Wirkung zeitigen wird.

Es wird eng auf erdgebundenen Strassen. Dabei hätten wir einiges zur Hand, das hülfe.

Firmen können Flagge zeigen

Auch Unternehmen haben Möglichkeiten, dem Verkehrskollaps entgegenzuwirken. Ein schillerndes Beispiel hierfür ist das BMW-Werk im niederbayrischen Dingolfing – hinsichtlich Verkehrsanschlüssen nicht gerade der Nabel der Welt. Die gewaltige Produktionsstätte wurde Anfang der 70er-Jahre eröffnet und die Verkehrsbelastung der beschaulichen Kleinstadt mit 18 000 Einwohnerinnen und Einwohnern stieg in der Folge erheblich.

BMW hat aus diesem Grund vor rund 40 Jahren einen Pendelbusverkehr eingerichtet. Über 250 Busse bedienen seither
täglich mehr als 2500 Haltestellen bis weit über die Bezirksgrenze hinaus. Hierbei legen die Busse Tag für Tag insgesamt
gut 40 000 Kilometer zurück. Selbstredend, dass derlei für das Gros der Unternehmen eine Nummer zu gross ist. Dank des dichten Schweizer ÖV-Netzes stellt sich die Frage bei vielen hiesigen Unternehmen gar nicht erst. Dennoch wäre es möglicherweise ab und an eine Überlegung wert, ob es zum grosszügigen – und durchaus teuren – Personalparkplatz
nicht doch Alternativen gäbe.

E-Autos im Carsharing nutzen

Der VCS hat 2021 aufgrund einer Verkehrsstudie seinen Masterplan «fossilfreier Verkehr» formuliert. Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie: Die Ziele des Pariser Klimaabkommens lassen sich nur erreichen, wenn die Welt bis spätestens
2050 aus den fossilen Energieträgern aussteigt. Die Lösung sieht der VCS im Ausbau des ÖV und in der Verbesserung der
Velo-Infrastruktur. Für die dann noch verbleibenden Autos schlägt der VCS einen Verkaufsstopp für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor vor. An deren statt sollen Elektrofahrzeuge eingesetzt werden. Das ist allerdings auch nicht ganz
ohne: Die Herstellung von Elektroautos ist ressourcenintensiver als die Produktion herkömmlicher Autos.

Darum wäre es interessant, wenn Elektrofahrzeuge nach der Fahrt nicht völlig sinnlos stundenlang auf einem Parkplatz
stünden, sondern nach kurzem Aufladen wieder verwendet würden. Der Vorteil von E-Autos gegenüber Modellen mit
Verbrennungsmotor steigt, wenn sie häufig genutzt werden – etwa im Carsharing.

Mit Mobility Pricing gegen den Verkehrskollaps

Ein weiteres probates Mittel, das gegen verstopfte Städte wirkt und international vielerorts gut funktioniert, ist Mobility
Pricing. In der Schweiz stösst das Konzept einer Strassenmaut allerdings auf heftige Gegenwehr. Darum stehen wir in Sachen Mobility Pricing noch ganz am Anfang. Immerhin sollen jetzt Pilotversuche möglich werden. In deren Rahmen
soll die Bevölkerung merken, dass Mobility Pricing kein Teufelswerk ist.

Ausserdem könnten aus bestehender Praxis Lehren gezogen werden: Bereits heute gibt es im ÖV Preisabstufungen,
mit welchen sich die Zugauslastung über den Tag steuern lässt. Wenn auch das Preissystem eines Mobility Pricings so
angelegt wird, dass die Fahrt während der Hauptverkehrszeiten mehr kostet als zu anderen Tageszeiten, dürfte dies
den Strassenverkehr zusätzlich lenken. Ausbauvorhaben zum Bewältigen der Pendlerspitzen könnten auf einen Schlag
obsolet werden.

Neue Ansätze fördern

Der JungVCS hat im Herbst mit einer Aktion auf dem Bundesplatz deutlich gemacht, dass ein weiterer Strassenausbau
für künftige Generationen nicht tragbar ist. Ebenda übrigens, wo sich bis vor 20 Jahren noch Auto an Auto reihte. Das
wenig repräsentative Freiluft-Parking wich 2004 dem heute bekannten Platz mit Treffpunkt-Charakter. Auch wenn
vor der Umgestaltung Zweifel laut wurden, möchte mittlerweile kein Mensch den hässlichen Parkplatz zurück. Und
auch in anderen Städten wird der Autoverkehr mehr und mehr aus dem Zentrum verbannt.

Es wäre also doch recht töricht, dafür anderswo wertvolle Kulturfläche zuzubetonieren und noch gigantischere Autobahnkreuze hochzuziehen, bloss um die kurzen Spitzen des Stossverkehrs zu brechen. Oder wie Doc Brown im eingangs erwähnten Film treffend sagte: «Strassen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Strassen!»

Andreas Käsermann ist Mediensprecher beim VCS Schweiz.

    

Diese Seite wird nur mit JavaScript korrekt dargestellt. Bitte schalten Sie JavaScript in Ihrem Browser ein!
.hausformat | Webdesign, TYPO3, 3D Animation, Video, Game, Print