#Zusammenarbeit

Zusammen vorwärtskommen

Engagement ist besonders wirkungsvoll, wenn es über Landesgrenzen hinausgeht; das gilt auch für die Verkehrspolitik und den Umweltschutz. Auch der VCS und seine Sektionen setzen auf internationale Zusammenarbeit – etwa im europäischen Dachverband Transport & Environment oder mit den Schwesterverbänden in Österreich und Deutschland – und lassen sich von guten Beispielen inspirieren, teilen ihre Erfolge und bauen Brücken.

Grenzen überwinden – nach aussen und innen

Die Menschen, die die Grenzen der Schweiz für ihre tägliche Arbeit queren, tun dies grossmehrheitlich mit dem Auto. Im Jura sind es gar rekordhohe 97 Prozent. In Genf konnte der ähnlich hohe Anteil seit der Eröffnung des S-Bahn-Netzes Léman Express um knapp 10 Prozent reduziert werden. Vorwiegend mit dem Auto sind auch die Ferien- und Erholungssuchenden unterwegs, die durch die Schweiz fahren, um ihre Reiseziele im Süden zu erreichen. Nach wie vor Handlungsbedarf besteht beim alpenquerenden Güterverkehr: 863 000 Lastwagen querten letztes Jahr die Schweizer Alpen. Erlaubt wären maximal 650 000. Das sind Zahlen, die zeigen, dass Verkehrspolitik in der Schweiz nicht ausschliesslich innerhalb der Staatsgrenzen gemacht werden kann. Lösungen müssen folglich grenzübergreifend angegangen werden.

«Schon früh nach der Gründung des VCS war also klar, dass sich Verkehrs- und Umweltprobleme nur grenzüberschreitend lösen lassen.»

Das ist nicht neu. Kaum war der VCS entstanden, packten die Gründungsmitglieder auch gleich international an, als Geburtshelfende für die ausländischen Schwesterclubs in Deutschland – VCD – und Österreich – VCÖ – sowie für den europäischen Dachverband Transport & Environment (T & E). Schon früh nach der Gründung des VCS war also klar, dass sich Verkehrs- und Umweltprobleme nur grenzüberschreitend lösen lassen.

Der VCD und der VCÖ haben sich teils in andere Richtungen entwickelt, ohne dabei den Pfad ihrer Zweckartikel – «eine nachhaltige Mobilität für Mensch und Umwelt» – zu verlassen; der VCÖ hat sich von einer Mitgliederorganisation in einen Thinktank gewandelt, der sich über Spenden finanziert. Der VCD hat mit dem VCS vergleichbare föderalistische (Bünde-) Strukturen. Er hat seine Dienstleistungen ausgelagert und sich verstärkt zu einer Bewegungsorganisation entwickelt. Vom regelmässigen Dreiländeraustausch profitieren alle drei Verkehrs-Clubs. Best Practices und Kampagnen werden niederschwellig ausgetauscht – so dass keine Organisation das Rad neu erfinden muss.

Auf europäischer Ebene seien hier die Cipra, der Dachverband der im Alpenschutz tätigen Nichtregierungsorganisationen, und T & E erwähnt. Letzterem steht eine wichtige regulatorische Aufgabe zu. Er setzt sich dafür ein, dass griffige Massnahmen zur Einhaltung der Klimaziele beschlossen werden. So wie diesen Sommer, als das EU-Parlament beschlossen hat, dass Autos und Nutzfahrzeuge per 2035 kein CO2 mehr ausstossen dürfen. Diesem Entscheid waren mehrere Monate intensiver Grundlagen- und Lobbyarbeit von T & E vorausgegangen.

Grenzen gibt es übrigens auch in der Schweiz. Die bekanntesten sind wohl die Sprachgrenzen. Mit dem Bureau romand – der VCS-Zweigstelle für Verkehrssicherheit in der Romandie und im Tessin – spielt der VCS seine Stärke aus: Er überwindet Grenzen für das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Mobilität für Mensch und Umwelt.

Stéphanie Penher - Bereichsleiterin Verkehrspolitik und Kampagnen

Europaweite Zusammenarbeit

Bei den CO2-Flottenzielen für Autos, beim internationalen Bahnund beim Flugverkehr sind die Möglichkeiten des VCS begrenzt. Darum spannt er bei solchen Themen mit dem europäischen Netzwerk von Transport & Environment zusammen.

Die CO2-Flottenziele für Neuwagen üben, wie auch Abgasnormen, politischen Druck auf die Autobranche aus, damit neue Autos weniger Treibhausgase ausstossen. Sie wurden durch die EU beschlossen und von der Schweiz – mit einigen Anpassungen – übernommen. So kommen die meisten Regelungen in der Schweiz zustande, die international gehandelte Güter betreffen. Einige werden aktiv mit einem politischen Entscheid, andere gar automatisch und unverändert übernommen.

Aus diesem Grund ist für den VCS die Zusammenarbeit mit dem europäischen Dachverband Transport & Environment (T & E) essenziell. Wie über 50 weitere nationale Umwelt- und Verkehrsverbände aus Europa ist der VCS Mitglied bei T & E; er vertritt dort zusammen mit der Alpen-Initiative die Schweiz.

Informationsaustausch

«Dank T & E sind wir stets über die politischen Prozesse in Brüssel informiert und können unsere Schwerpunkte in der Schweiz entsprechend setzen», sagt Martin Winder, Projektleiter Verkehrspolitik beim VCS. «Weiter leistet T & E wichtige Grundlagenarbeit und publiziert regelmässig Studien, die Licht in dunkle Ecken des Verkehrssektors bringen.»

So hat T & E zum Beispiel aufgedeckt, dass der CO2-Ausstoss von Plug-in-Hybrid-Modellen (PHEV) im Realgebrauch um ein Vielfaches höher ist als die offiziell deklarierten Werte. Die EU passt nun die Berechnung der CO2-Emissionen von PHEV an – was auch in der Schweiz zu realitätsnäheren Angaben führen wird.

Die internationale Zusammenarbeit ist auch beim Flugverkehr zentral. Mit der Kampagne «travel smart» fordert T & E Unternehmen auf, ihre Geschäftsflüge zu reduzieren, und veröffentlicht ein Ranking von Firmen und deren Reduktionsversprechen. Der VCS sorgte dafür, dass die Ergebnisse des Rankings in der Schweiz von den Medien gut aufgenommen wurden.

«Dank T & E sind wir stets über die politischen Prozesse in Brüssel informiert.»

Martin Winter, Projektleiter Verkehrspolitik

Themen platzieren

Dass die Zusammenarbeit auch andersrum funktioniert, zeigt das Beispiel Bahnverkehr. «Die Bahn ist in der Schweiz besser gestellt als in vielen anderen europäischen Ländern», sagt Stéphanie Penher, die den VCS im Vorstand von T & E vertritt (siehe Seite links). «Das schweizweite Tarifsystem kann als Vorbild dienen, da es mit einem Ticket die Nutzung von Verkehrsmitteln verschiedener Betreiber ermöglicht.» Bei T & E wird nun die Forderung einer europäischen Plattform für die vereinfachte Buchung von grenzüberschreitenden Zugreisen zum Thema.

Anette Michel - Projektleiterin eco-auto

Carte blanche für unsere Nachbarn

Der VCÖ in Österreich und der VCD in Deutschland sind die Schwesterclubs des VCS. Sie kämpfen für dasselbe Ziel: eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität, bei der Mensch und Umwelt im Zentrum stehen. Welche Themen in ihren Organisationen aktuell sind, haben sie für dieses Dossier zusammengestellt.

VCÖ: Mit Daten, Fakten und Netzwerken für nachhaltigen Verkehr

Ohne Verkehrswende sind die Klimaziele nicht erreichbar. Das trifft auf die Schweiz, Deutschland und Österreich gleichermassen zu und gewinnt mit der sich verschärfenden Klimakrise immer stärker an Bedeutung. Der VCÖ arbeitet seit der Gründung im Jahr 1988 konsequent daran, dass die Mobilität ökologisch verträglicher und sozial gerechter wird. Damals war umweltverträgliche Mobilität ein Randthema, heute ist es in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Dass viele Akteurinnen und Akteure an der klimaverträglichen Verkehrswende arbeiten, zeigt der VCÖ-Mobilitätspreis, den der VCÖ seit dem Jahr 1992 alljährlich durchführt. Waren es Anfang der 2000er-Jahre rund 100 Einreichungen pro Jahr, wurden seit dem Jahr 2015 jedes Jahr mehr als 300 Projekte bei Österreichs grösstem Wettbewerb für klimaverträgliche Mobilität und nachhaltigen Gütertransport eingereicht. «Wir wollen mit dem VCÖ-Mobilitätspreis Mut zur Veränderung machen und aufzeigen, was Gemeinden, Städte, Unternehmen, Schulen, Universitäten und Initiativen bereits tun, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen», erklärt VCÖ-Geschäftsführerin Ulla Rasmussen. Die vorbildlichen Projekte sind in einer Online-Projektdatenbank auf der Website des VCÖ öffentlich zugänglich und sollen viele zum Nachahmen motivieren.

Abgabe auch auf Benzin und Diesel

Österreich hat per 1. Oktober eine CO2-Steuer in der Höhe von 30 Euro pro Tonne CO2 eingeführt. Im Gegensatz zur Schweizer CO2-Abgabe wird die Steuer in Österreich nicht nur auf Heizöl und Gas, sondern auch auf Benzin und Diesel erhoben. Die Steuer steigt bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne CO2.

Gemeinsam mit Fahrgästen zeigt der VCÖ auf, was bei den Bahnen in Österreich zu verbessern ist. Bei der diesjährigen Befragung, dem VCÖ-Bahntest, nahmen mehr als 9300 Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer in den Zügen von zehn Bahnunternehmen teil.

Wichtig ist dem VCÖ der enge Austausch mit der Wissenschaft und Fachleuten aus verschiedenen Bereichen. Dies erfolgt in Fachkonferenzen, seit Covid-19 verstärkt online, und in der Zusammenarbeit bei Fachpublikationen und Factsheets. Auch diese stellt der VCÖ auf seiner Website allen zur Verfügung. «Mobilität ist ein Querschnittsthema. Die Energiewende kann ohne Verkehrswende nicht gelingen. Auch Wohnbau und Siedlungsentwicklung haben zentralen Einfluss auf unser Mobilitätsverhalten. Umgekehrt beeinflusst die Mobilität massiv unsere Gesundheit, sowohl negativ durch Abgase und Lärm als auch positiv, wenn die Verkehrsplanung es ermöglicht, dass wir viele Alltagswege zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurücklegen können», verdeutlicht Ulla Rasmussen.

Vor allem Infrastrukturprojekte entscheiden das Mobilitätsverhalten auf Jahrzehnte.

Ein zentrales Thema des VCÖ ist auch die Internalisierung externer Kosten. Die Einführung der CO2-Bepreisung in Österreich im heurigen Oktober war ein Schritt in die richtige Richtung. Ein weiterer wichtiger Teil der VCÖ-Tätigkeit ist die Teilnahme in Gremien. Der VCÖ erinnert dabei auch regelmässig an die Interessen der künftigen Generationen. Vor allem Infrastrukturprojekte entscheiden das Mobilitätsverhalten auf Jahrzehnte. «Die Klimaziele sind nur mit weniger Auto- und Lastwagenverkehr erreichbar. Deshalb ist der Ausbau von Autobahnen einfach nicht mehr zeitgemäss », nennt Rasmussen ein Beispiel.

In Österreich und auch darüber hinaus bekannt sind die VCÖ-Grafiken, die Daten anschaulich darstellen. Diese werden nicht nur vom VCÖ verbreitet, sondern auch von Interessierten via Social-Media-Kanäle, von Fachleuten bei Vorträgen und im Unterricht an Universitäten und Schulen.

Weitere Infos:

Weitere Infos: www.vcoe.at

Christian Gratzer - VCÖ-Pressesprecher

VCD: Für eine klimaverträgliche und sozial gerechte Verkehrswende

Eine klimaverträgliche und sozial gerechte Mobilität für alle ist eines der Kernanliegen des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Damit alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen, Wohnort oder körperlichen Einschränkungen, selbstbestimmt und nachhaltig mobil sein können, braucht es gute Alternativen zum eigenen Auto. Das Instrument dafür ist die Mobilitätsgarantie. Mit ihr können bundesweit geltende Standards für die Qualität von Fuss- und Radwegen, Bus und Bahn und ergänzenden Mobilitätsangeboten umgesetzt werden.

Denn nach wie vor werden zu viele Menschen in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt, weil sie sich keinen Fahrschein leisten können, mit ihrem Rollstuhl nicht in den Bus kommen oder schlicht, weil erst gar keiner fährt. Mit einer Mobilitätsgarantie kann ein gutes und barrierefreies Bus- und Bahnangebot vor Ort geschaffen werden sowie Sozialtickets für diejenigen, die sich die regulären Ticketpreise nicht leisten können.

Damit eine Mobilitätsgarantie umgesetzt wird, bedarf es klarer Vorgaben und Rahmenbedingungen der Politik. Dem aktuellen Verkehrsrecht in Deutschland fehlen jedoch klare Ziele, die den Menschen und den Klimaschutz berücksichtigen. Hinzu kommt, dass es keine übergeordnete Planung für alle Verkehrsmittel gibt, sondern jedes Verkehrsmittel separat betrachtet wird. Um das endlich zu ändern, braucht es einen neuen Rechtsrahmen. Daher hat der VCD gemeinsam mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus Verbänden, der Stadt- und Verkehrsplanung, Wissenschaft, Verwaltung und Politik einen Vorschlag für ein Bundesmobilitätsgesetz erarbeitet. Renommierte Verfassungsrechtler wurden beauftragt, einen konkreten Gesetzesentwurf vorzulegen.

Als übergeordneten Rahmen setzt das Bundesmobilitätsgesetz Ziele: Neben Klimaschutz geht es um Mobilitätssicherung von Personen und Gütern, Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, Effizienz und Resilienz. An diesen Zielen sollen sich die Verkehrsplanung und Finanzierung ausrichten. Infolgedessen würde nur noch die Infrastruktur gebaut, die zur Erreichung der Ziele notwendig ist. Zudem stellen Erreichbarkeitsstandards sicher, dass auch kleine Orte über ein gutes Bus- und Bahnangebot und sichere Fuss- und Radwege verfügen. Bei einigen Regelungsvorschlägen haben sich die beteiligten Verfassungsrechtler an der Schweizer Praxis orientiert, die insbesondere in puncto Verkehrsplanung und Infrastrukturfinanzierung gute Ansätze liefert, insbesondere was die integrierte Planung oder die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien angeht.

Ohne verbindliche Ziele im Bereich der Mobilitäts- und Verkehrsplanung können weder die Klimaziele noch die Verlagerungsziele erreicht werden.

Der Vorschlag für ein Bundesmobilitätsgesetz wurde im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Inhalte und Ziele wurden und werden mit verschiedenen Stakeholdern aus Politik und Verwaltung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie Verkehrsunternehmen diskutiert. Alle Seiten haben längst erkannt, dass das deutsche Verkehrsrecht modernisiert werden muss. Denn ohne verbindliche Ziele im Bereich der Mobilitäts- und Verkehrsplanung können weder die Klimaziele noch die Verlagerungsziele erreicht werden. Als Lobbyist für die Verkehrswende setzt sich der VCD auch in Zukunft weiter bei der Politik für die Umsetzung ein.

Weitere Infos:

www.vcd.org/soziale-aspekte-verkehrswende und
www.vcd.org/bumog (Bundesmobilitätsgesetz)

Michael Müller-Görnert - verkehrspolitischer Sprecher beim VCD

Wieso ist das so schwierig?

Die Reiselust innerhalb Europas ist definitiv zurück. Das Zugfahren ist aber immer noch mit viel zu vielen unnötigen Hürden verbunden.

Die Staus am Gotthard erreichen neue Rekordwerte und die Flughäfen platzen aus allen Nähten. Die Reiselust ist ungebremst, Klimakrise hin oder her. Auch die internationalen Zugverbindungen operieren teilweise an der Belastungsgrenze. Doch wären gerade diese heute und in Zukunft ungemein wichtig, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen.
Während also allerlei Faktoren – von Personalmangel bis hin zu Infrastrukturengpässen – den europäischen Reiseverkehr ans Kapazitätslimit bringen, kommt beim System Bahn noch eine Komplikation dazu: die hohen Zugangshürden durch intransparente Tarifstrukturen.

Der europäische Bahnverkehr gleicht einem Dschungel aus Anbietern und Tarifsystemen.

Schädliches Gärtchendenken

Ein Schweizer Führerausweis erlaubt es einem, um die halbe Welt zu fahren. Die günstigste und einfachste Flugverbindung findet sich im Internet mit zwei Klicks. Der europäische Bahnverkehr hingegen gleicht einem Dschungel aus Anbietern und Tarifsystemen. Reisende warten bis heute auf ein einheitliches Buchungssystem, viele Bahnbetreiber konzentrieren sich lieber auf sogenanntes «Yield Management»: die dynamische Preisregulierung je nach Nachfrage und Vorlaufzeit einer Buchung. Das gebuchte Ticket wird der Kundin oder dem Kunden dann euphemistisch als «Sparbillett » mit eingeschränkten Fahrgastrechten verkauft.

Zusammenarbeit stärken

Diese komplexe Kontingentierung von verschiedenen Preisklassen für dieselbe Leistung ermöglicht zwar einigen Reisenden tolle Schnäppchen auf gewissen Paradestrecken; gleichzeitig macht sie die Tarifstruktur aber völlig intransparent. Es ist den Reisenden daher nicht zu verübeln, dass sie angesichts dieses mühsamen und unübersichtlichen Planungsprozesses doch lieber schnell einen Flug buchen.

Zudem werden in vielen europäischen Ländern immer neue private Mitbewerber auf die Schienen gelassen. In Italien fährt seit einigen Jahren neben Trenitialia auch italo auf diversen Hochgeschwindigkeitsstrecken und Renfe in Spanien bekommt Konkurrenz urch die neue Mitbewerberin iryo. In Deutschland fahren seit ein paar Jahren die grünen Flixtrains – sogar bis Basel Badischer Bahnhof. Zwar schaffen diese neuen Bewerber auf einigen Strecken zusätzliche Angebote, sie verkomplizieren aber das Gesamtsystem und das Ticketing weiter.

Das Tarifsystem in der Schweiz wurde bereits 1857 vereinheitlicht. Als Folge davon kann man heute an fast jedem Automaten und über fast jede ÖV-App ein Billett für eine Reise quer durch das Land kaufen. Diese einfache Zugänglichkeit ist ein Grundstein für den Erfolg des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz.

Der VCS fordert daher zusammen mit Transport & Environment seit längerem ein integrales europäisches Tarifsystem. Das Ziel: die Reiseplanung und den Billettkauf so einfach zu gestalten wie die Bedienung des Navis im Auto. Die Schweiz kann dafür ihre Erfahrung aktiv auf europäischer Ebene einbringen und so mithelfen, die Zugänglichkeit zu internationalen Bahnreisen entscheidend zu vereinfachen.

Selim Egloff - Projektleiter Verkehrssicherheit

Schritt für Schritt die Welt verändern

Zufussgehen ist ein Gradmesser für die Lebensqualität in den Städten weltweit und verdient es, wieder ins Zentrum stadtplanerischer Ansätze gerückt zu werden.

Zufussgehen ist die Basisform der Mobilität. Es kostet kaum etwas, ist emissionsfrei, fast allen zugänglich und bietet beträchtliche Vorteile für die Gesundheit. Und trotzdem bleibt es als Fortbewegungsform vernachlässigt, taucht nur selten in offiziellen Mobilitätsstatistiken auf und bleibt in der Stadtplanung oft unterbewertet.

Im letzten September hat die internationale Konferenz «Walk 21» Fachleute aus der Hochschulwelt und der Politik sowie weitere Interessierte zu Gesprächen über die zentrale Rolle des Fussverkehrs für die nachhaltigen Entwicklungsziele versammelt. Die Schweiz war insbesondere mit dem Bureau romand des VCS vertreten, das dessen Errungenschaften in Sachen autofreie Quartiere, Einbindung älterer Semester und Mobilität rund um Schulen vorstellen konnte.

Die ungenügenden Fussgängerinfrastrukturen in ärmeren Quartieren haben direkte Auswirkungen etwa auf die Anzahl Unfälle, weil da die meisten Strecken zu Fuss zurückgelegt werden.

Die Rolle der Kinder

Von Brasilien über Italien bis nach Albanien stellen Fussverkehrsprojekte die spezifischen Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt. Auch in der Schweiz geht man davon aus, dass eine kindergerechte Strasse allen entgegenkommt. Jenseits der Landesgrenzen bleibt die Sicherheit im Strassenverkehr das zentrale Anliegen, wird aber oft mit einer spielerischen und künstlerischen Dimension ergänzt: bemalte Pflästerungen, Platz zum Spielen und 100-Meter-Bahnen entstehen anstelle von Parkplätzen und erhöhen die Sicherheit und die Lebensqualität in den Quartieren.

Gehen und Gleichheit

Jenseits des Alters bieten gesellschaftliche und genderspezifische Kriterien neue Zugänge zur Analyse des Fussverkehrs. So sind etwa in den Vereinigten Staaten die Situation der Frauen im öffentlichen Raum und die entsprechenden Herausforderungen (Belästigung, aber beispielsweise auch die Fortbewegung mit einem Kinderwagen) noch kaum untersucht, obschon Frauen mehr zu Fuss unterwegs sind als Männer. Studien zu Verkehr, Gesundheit und Gleichheit zeigen auf, dass höhere Sicherheit oft ein Privileg bessergestellter Schichten ist. Die ungenügenden Fussgängerinfrastrukturen in ärmeren Quartieren haben direkte Auswirkungen etwa auf die Anzahl Unfälle, weil da die meisten Strecken zu Fuss zurückgelegt werden.

«Walk 21» erinnerte daran, dass die Fussgängerinnen und Fussgänger den Ausgangspunkt raumgestalterischer Überlegungen bilden müssen.

Fussverkehr im Zentrum

Die Konferenz erinnerte im Kontext zunehmender Verdichtung der Städte daran, dass die Fussgängerinnen und Fussgänger den Ausgangspunkt raumgestalterischer Überlegungen bilden müssen. Bestimmt werden sich die «Walk-21»-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer an die Worte der Stadtpräsidentin von Tirana (Albanien) erinnern: «Wir denken nach, als ob die Autos wegen Fahrbahnschwellen in Depression fallen könnten. Was aber ist mit den Menschen? Ist gehen zu können nicht ein Recht aller?»

Alice Gentile - Projektleiterin Verkehrssicherheit

Corine Kibora - Projektleiterin Pedibus

Am Boden bleiben und Gipfel bezwingen

Der Weg zu einem klima-, umwelt- und menschengerechten Luftverkehr ist noch lang und er ist steil. Für den anspruchsvollen Weg setzt der VCS auf gebündelte Kräfte und schliesst sich mit andern Organisationen zur Allianz Stay Grounded zusammen.

Wer sich für Emissions- und Lärmreduktion im Luftverkehr einsetzt, weiss, dass man rasch auf Granit beisst und gegen gut geölte politische Voten und perfekte Greenwashing-Kampagnen antritt. Jeder auch noch so kleine Schritt erfordert titanische Kräfte. Der Gipfel, das Ziel dieser veritablen Hochgebirgstour, ist eine nachhaltige Zukunft mit einem beruhigten Himmel. Der Aufstieg auf dem hürdenreichen Pfad ist nur mit vereinten Kräften zu schaffen. Dies tun die 28 Schweizer Organisationen und mit ihnen der VCS in der Koalition Luftverkehr Umwelt und Gesundheit (KLUG). Mit politischen Interventionen und Sensibilisierungsaktionen arbeitet die KLUG daran, den Schutz des Klimas und der Bevölkerung ins Zentrum der Debatte und der in Bern getroffenen Entscheide zu rücken. Der Berg jedoch, der hat verschiedene Hänge, und die Wege zum Gipfel sind grenzüberschreitend.

Der Luftverkehr ist der Inbegriff eines internationalisierten Wirtschaftsbereichs und als solcher ein mächtiger Hemmschuh gegen Fortschritte beim Klimaschutz. Kein Land will den ersten Schritt tun, um ja keinen wirtschaftlichen Schaden zu nehmen. Die an steile Pfade gewöhnten Aktivistinnen und Aktivisten wissen um die Bedeutung einer breit abgestützten Allianz, ihre Aktionen dürfen nicht an der Grenze haltmachen – die Emissionen der Fliegerei kennen auch keine Grenzen. Transport & Environment (siehe Seite 25) und Stay Grounded vereinen dafür Organisationen verschiedener Länder.

Aktionen dürfen nicht an der Grenze haltmachen – die Emissionen der Fliegerei kennen auch keine Grenzen.

Das Netzwerk Stay Grounded

Stay Grounded – zu Deutsch: am Boden bleiben – ist ein 2016 gegründetes weltweites Netz, das Diversität und Kompetenzen von über 170 Organisationen verbindet. Dazu gehören Umweltverbände, Wissenschaftlerinnen, Gewerkschaften, lokale Flughafengegner sowie Organisationen, die Gemeinschaften unterstützen, welche Projekte zur CO2-Kompensation oder für Plantagen für Agrotreibstoffe bekämpfen.

Stay Grounded dient nicht nur dem Austausch unter den Mitgliedern, sondern koordiniert Aktionen mit internationaler Tragweite. So haben der VCS und hunderte weiterer Organisationen während der Coronapandemie die Behörden aufgefordert, ihre Unterstützung für den Luftverkehrssektor von konkreten Klimazielen abhängig zu machen. Unlängst wurde die Petition «Greenwashing stoppen » bei zahlreichen Behörden deponiert, so auch in Bern. Sie fordert von den Regierungen, den Versprechen der Luftfahrtindustrie nicht länger Glauben zu schenken und den Luftverkehr auf einem Level zu halten, das mit unseren Klimazielen vereinbar ist.

Der Weg ist lang

Der ambitionierte Weg zu einem umwelt- und menschengerechten Flugverkehr ist mit zahlreichen Herausforderungen gepflästert, und die Krisen, die die Welt zurzeit erschüttern, machen den Weg nicht einfacher. Aber wir haben eine ganz wesentliche Komponente in unserem Rucksack: die Hoffnung. Ist ein Weiterkommen unmöglich, vernimmt man von anderenorts her manchmal einen Siegesschrei. Dies gibt jeweils neuen Mut und hilft auf der Suche nach neuen Wegen.

Yves Chatton - Projektleiter Verkehrspolitik

Wertvolle Aussenbeziehungen

Ob am Boden- oder am Genfersee, in Chur oder in Basel: VCS-Sektionen waren und sind mit Verkehrsproblemen konfrontiert, die grenzüberschreitendes Handeln erfordern.

Wie im Südtessin und im Raum Genf, wo deswegen – unter kräftigem VCS-Support – leistungsfähige internationale S-Bahn-Netze geknüpft wurden, überqueren auch im Dreiland Tag für Tag Zehntausende Menschen die Grenze, hin und her zwischen Basel-Stadt, Deutschland und Frankreich. Das Tram, das seit 2014 Kleinhüningen mit Weil am Rhein (D) verbindet, ist als Verkehrsträger nicht mehr wegzudenken. «Gemeinsam mit dem damaligen VCD-Kreisverband Lörrach – heute wär’s der VCD-Regionalverband Südbaden – haben wir mit Medienmitteilungen, Überzeugungsarbeit in verschiedensten Gremien und bei vielen öffentlichen Aktivitäten dazu beigetragen, dass es mit dem 100-Millionen- Projekt klappte», fasst Florian Schreier, Geschäftsleiter der VCS-Sektion beider Basel, zusammen.

Deren aktuelle ausländische Partnerorganisationen sind die französische ADRA und die deutsche BISF, welche die Interessen der Anwohnerschaft des Flughafens Basel-Mülhausen vertreten. Es geht um die kontraproduktive «Nouvelle Liaison Ferroviaire», die den EuroAirport zwecks Steigerung der Passagierzahlen – und damit der Flugbewegungen – ab 2030 mit Mülhausen, Strassburg und Basel verbinden soll.

Im benachbarten Aargau beschäftigt sich der VCS derweil stark mit dem Schwerverkehr, der gemäss deutschen Plänen über neue Rheinbrücken in die Schweiz rollen soll. Er steht diesbezüglich in Kontakt mit den Grünen in Baden- Württemberg. VCS-Geschäftsleiter Christian Keller prangert die drohenden Transitkorridore für 40-Tönner bei jeder Gelegenheit an – letzthin auch an einem Podiumsgespräch unter anderem mit Verkehrsminister Winfried Kretschmann zum Thema öffentlicher Nahverkehr. «Wir wollen die Zusammenarbeit intensivieren, um beidseits des Rheins die progressiven Kräfte zu bündeln», kündigt Keller an.

«Wir wollen die Zusammenarbeit intensivieren, um beidseits des Rheins die progressiven Kräfte zu bündeln.»

Christian Keller, VCS-Geschäftsleiter der Sektion Aargau

Strassenplanung ohne Unterlass

Dem Kampf gegen LKW-Lawinen verschrieben hat sich seinerzeit auch das «A13/E43-Netzwerk». Anderseits trat es mit Nachdruck für bessere Bahnverbindungen am Bodensee und im Rheintal ein. Federführend war dabei das Bündner VCS-Urgestein Stefan Grass. Nach seinen Worten ist das Netzwerk «im Dämmerschlaf ». Tatsächlich sind geplante Autobahn- Verbindungen zwischen Österreich und der Schweiz ja auch versandet.

Dass die Strassenplanenden dennoch keine Ruhe geben, davon weiss Georg Sele vom Verkehrs-Club Liechtenstein VCL ein Lied zu singen. Erfolgreich war der Widerstand von VCL, VCÖ Vorarlberg und den «Grünen / Feldkirch blüht» gegen die S18 und den Letzetunnel. «Doch dessen Nachfolgeprojekt, der Stadttunnel Feldkirch, wird gebaut, das Gericht hat unsere gemeinsamen Klagen abgewiesen», ärgert sich Sele.

Und wie sieht’s beim VCS Thurgau aus? Wie Präsident Peter Wildberger erklärt, wird vor allem im Raum Kreuzlingen/ Konstanz die grenzüberschreitende Kooperation permanent gepflegt, von der Unterstützung des «Velocity-Guide» über die alljährliche Velobörse bis zur «Initiative Bodensee-S-Bahn», die möglichst umsteigefreie Bahnverbindungen rund um den See sowie bessere Anbindungen ans Fernverkehrsnetz anstrebt. Dort gehört Wildbergers Vorgänger Wolfgang Schreier zu den treibenden Kräften. Und siehe da: An Wochenenden kann man seit diesem Jahr zweistündlich von Romanshorn über Bregenz (A) bis nach Lindau (D) sitzen bleiben, statt wie sonst dreimal umzusteigen.

Urs Geiser - Regionachrichtenredaktor des VCS-Magazins

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