Unsere (auto)mobile Freizeit

Von Verena Jerg

Spaziergänge in der Natur, Restaurantbesuche oder sonntägliche Familientreffen: Das sind die Freizeitbeschäftigungen der Menschen in der Schweiz, die sie zu 70 Prozent mit dem Auto erreichen. Das zeigen die Zahlen des Bundes.

Die Schweizer Wohnbevölkerung legt pro Tag im Durchschnitt 30 Kilometer zurück, die Unterwegszeit beträgt rund 80 Minuten. Wer davon ausgeht, dass die Leute hauptsächlich aus beruflichen Gründen unterwegs sind, täuscht sich: Die überwiegende Anzahl der Wegstrecken entfällt auf Freizeitaktivitäten. Genauer gesagt sind es 43 Prozent aller zurückgelegten Distanzen, 52 Prozent der gesamten Unterwegszeit und 37 Prozent der Anzahl Wege, meist für sogenannte «nichtsportliche Aussenaktivitäten » wie Spaziergänge oder Restaurantbesuche. Was dabei besonders auffällt: Gut 70 Prozent der Distanzen in der Freizeit werden mit dem Auto zurückgelegt. Oder auf ein konkretes Beispiel bezogen: Wer ein Naherholungsgebiet wie den Pfäffikersee besucht, steigt – trotz guter Anbindungen an den öffentlichen Verkehr – mehrheitlich ins Auto.

Starke Autoabhängigkeit

Auch wenn die negativen Auswirkungen von Autos, wie Luftverschmutzung oder Lärm, gemeinhin bekannt sind, wird das Auto weiterhin aufgrund seiner Funktionalität, Autonomie oder des Status wegen geschätzt. 2021 zeigte eine Studie des Magazins «Nature» auf, dass die effektiv anfallenden Kosten für das Auto oft unterschätzt werden und der effektive Nutzen höher gewichtet wird. Thomas Marty vom Bundesamt für Energie (BFE) erklärte im VCS-Magazin 3/2023: «Fährt jemand weniger als 10 000 Kilometer pro Jahr, ist es günstiger, das Auto stundenweise zu mieten, als es zu besitzen. Diese Rechnung machen aber die wenigsten: Die Verhaltensökonomie hat gezeigt, dass wir uns oft von Emotionen und Gewohnheiten leiten lassen.»

Im Durchschnitt wird ein Auto in der Schweiz 13 000 Kilometer pro Jahr gefahren – daraus lässt sich schliessen, dass so manches Auto wesentlich weniger als 10 000 Kilometer pro Jahr gefahren wird. 

    

Die überwiegende Anzahl der Wegstrecken entfällt auf Freizeitaktivitäten.

    

Auch werden die anfallenden Kosten beim eigenen Auto gerne unterschätzt. Im Gegenzug tappen Autobesitzerinnen und -besitzer in die Falle der Gesamtkostenüberlegung: Das Auto ist gekauft, das Geld ist weg, nun muss es möglichst oft gefahren werden. Wer also ein Auto für den Arbeitsweg gekauft hat, nutzt es dann gerne auch für den Einkauf oder für den Besuch bei den Grosseltern. Und steht es dann gleich auf dem Parkplatz neben dem Haus, sinkt die Hemmschwelle zusätzlich. Dies führt zu einer starken Autoabhängigkeit, die Gewohnheiten lassen sich nur schwer ändern. Gerade im Freizeitbereich wären die Alternativen oft vorhanden.

Mit dem Zug in den Europa-Park

Es besteht Handlungsbedarf: Um die Nutzung von ÖV und Velo attraktiver zu machen, sind verschiedene Ansätze gefragt. Es werden Mobilitätskonzepte benötigt, die spezifisch auf die Freizeit ausgerichtet sind und auch Zielgruppen wie Junge oder Familien erreichen. Lösungen gibt es bereits: In verschiedenen Bergregionen werden Alpentaxis angeboten und ab Mai 2024 verbindet der «RailCoaster» Basel mit dem Europa-Park in Rust. Nicht zuletzt ist eine rasche Umsetzung des Veloweggesetzes wünschenswert. Ein besser ausgebautes Velowegnetz würde die Attraktivität und die Sicherheit des Velos gerade für kurze Strecken steigern.

Verena Jerg ist Praktikantin beim VCS Schweiz. Sie legt pro Woche 150 Kilometer mit dem Zug, mindestens 60 Kilometer mit dem Velo und 10 Kilometer mit dem Auto zurück.

    

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