Es folgt die einzige ernsthafte Steigung – hinauf nach Nidwalden. Wobei auch sie zum grösseren Teil vermeidbar wäre: Beidseits führt ein Sessellift zum Jochpass hinauf. Dieser transportiert in erster Linie harte Jungs, die ihre Downhill-Bikes seitlich am Sessel anhängen können. Rauf und runter, Mal für Mal. «Hells Bells» heisst der Trail, auf den wir beim Aufstieg hinunterblicken. Keine Bange, das Konfliktpotenzial ist durch die räumliche Trennung zwischen Himmel und Hölle gleich null.
Am Trüebsee dann herrscht, entsprechend der Funktion als Drehscheibe des Titlis-Tourismus, ein ziemlicher Rummel, von weit her hörbar. Wir lassen die Kapelle am See rechts liegen, wählen den Abstieg über Untertrübsee und finden trotzdem noch Zeit für einen Besuch der prunkvollen Kirche des Benediktinerklosters Engelberg, das dem Hochtal seit 1120 sein Gepräge gibt. In der angegliederten Schaukäserei und deren Laden voller regionaler Delikatessen geht in Erfüllung, was die Himmlischen Pfade auch noch versprechen, kulinarische Genüsse eben.
Sepp und sein Gottvertrauen
Zweite Etappe, drei Tage später. Viel Betrieb herrscht entlang unserer Route einzig bei der Brunnihütte, einem beliebten Startplatz für Gleitschirmflüge. Rund um den kleinen Härzlisee führt ein Kneipp-Pfad über Kiesel, Holzspäne, Tannzapfen, durchs kalte Nass, Morast und ein Sprudelbad: eine sensorische Gaudi für Gross und Klein. Einen ganzen Kilometer lang ist der anschliessende Barfusswanderweg zur Hüttismatt.
Der Walenpfad, von Schweiz Tourismus als einer unserer schönsten Wanderwege geadelt, führt zunächst von Brunni leicht abwärts zur Walenalp und wieder hinauf zum Kulminationspunkt Walegg (1943 m ü. M.). Wir sind dabei staunende Winzlinge am Fuss der Kalkriesen der Walenstöcke, die augenfällig machen, was uns eine der Infotafeln am Weg zur Entstehung der Gesteine und Gebirge in Erinnerung gerufen hat. Vor dem grossen Auffalten und Übereinanderschieben war da ja kein Titlis, nur ein Meer. Demut lehrt auf dem Sakralweg auch die Naturwissenschaft.
Die Szenerie wechselt abrupt. Vor uns liegt das Mittelland, aus dessen Dunst die Dampffahne des Atomkraftwerks Gösgen emporsteigt. Bei klarem Wetter sähe man bis zum Schwarzwald. Woher wir das wissen? Nun, beim Walenhüttli laden handgeschriebene Plakate zum Picknicken inklusive Konsumation vorhandener Getränke ein. Gezeichnet: Sepp. Und schon steht der neben uns und zeigt uns sein zweites Daheim, in dessen Küche einst gekäst wurde. Sepp übernahm es dann in Dauermiete und renovierte es liebevoll. Fein säuberlich aufgeschichtet liegen Holzscheite bereit für den Fall, dass jemand Wasser kochen möchte. Das Hüttli kann auch mal zur Notunterkunft werden, Sepp schliesst es nie ab. Die Hüttenkasse füttern Gäste nach eigenem Gutdünken. Ob er denn nie schlechte Erfahrungen
gemacht habe, fragen wir leicht ungläubig. «Nein», antwortet der altersmässig schwer einzuschätzende Senior und lächelt versonnen in seinen Bart, «in 30 Jahren kein einziges Mal».