Nach meinem Studium und einem Praktikum verspürte ich das Bedürfnis, auf Reisen zu gehen. Beim Reisen verlasse ich gerne meine Komfortzone. So wusste ich bereits zu Beginn, dass die Füsse mein wichtigstes Transportmittel sein sollten. Das Vorhaben, einen der Pilgerwege nach Santiago de Compostela zu erkunden, konkretisierte sich hingegen erst kurz vor dem Abreisetermin.
Als Mensch, der nicht an Gott glaubt, fand ich diese Idee nämlich erst eher absurd. Nach einigen Recherchen hatte ich meine Vorurteile aber überwunden und bekam Lust, diese kulturell und historisch vielfältigen Wege selber zu begehen. Es blieb mir nur wenig Zeit, gute Schuhe und das nötige Material für eine Wanderung zu organisieren, die über 50 Tage dauern sollte. Da ich in Hütten und im Zelt übernachten wollte, wog mein Rucksack fast 15 Kilogramm. Seit meiner Kindheit war ich kaum mehr gewandert und hatte nie im Zelt übernachtet: Man kann sagen, dass ich miserabel vorbereitet war.
Ein schmerzvoller Start
Mitte April packte ich also meinen grossen Rucksack und fuhr mit dem Zug nach Puy-en-Velay in Frankreich – besonders schön war die letzte Stunde der Loire entlang. Als Erstes machte ich mich auf die Suche nach einer Herberge. Danach besuchte ich die Stadt und ihre eindrückliche Kathedrale. Abends lernte ich zwei junge Franzosen kennen, die in der gleichen Unterkunft übernachteten und eine zweiwöchige Wanderung planten. Nach dem Abstempeln der Pilgerpässe am nächsten Morgen gingen wir gemeinsam los, bevor sich unsere Wege mittags bereits trennten.
Die Probleme begannen am zweiten Tag. Mein Körper litt unter der mangelnden Vorbereitung und dem schweren Rucksack. Zum Glück traf ich am Abend auf eine äussert nette Familie aus La Chaux-de-Fonds, die meine Wunden versorgte und mir wertvolle Tipps gab. Auch das Wetter war launisch: Nachdem ich Puy-en-Velay in Shorts und T-Shirt verlassen hatte, musste ich bald mit Regen, Kälte, Hagel und Sturm kämpfen. Noch lange werde ich mich an den letzten Tag im Aubrac und meine durchnässten Kleider erinnern … Trotzdem gehört der erste Abschnitt von Puy-en-Velay bis Conques zu den schönsten und wildesten des ganzen Wegs, entlang an wunderbaren Dörfern wie Saint-Côme-d’Olt oder Estaing.