Unterwegs auf dem Jakobsweg

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Der Autor unterwegs in den Pyrenäen.

Ein Pilgerweg für die einen, eine schöne Wanderung für die anderen: Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela ist ein spezielles, zeitloses Abenteuer. Bericht einer 1400 Kilometer langen Auszeit zu Fuss durch Frankreich und Spanien.

Weniger Gepäck, mehr Bier

Für den zweiten Teil, von Conques nach Cahors, wählte ich die Variante durch das Célé-Tal mit der Grotte Pech Merle und dem Dorf Saint-Cirq-Lapopie – angesichts der Schönheit dieser Strecke eine hervorragende Idee. Auf einem Postamt nutzte ich die Gelegenheit, um mein – nur einmal benutztes – Zelt, die Schlafmatte und ein paar Kleinigkeiten zurück in die Schweiz zu schicken. Die Herbergen sind bequemer, günstig und man lernt tolle Leute kennen. Mit dem reduzierten Gepäck verschwanden die körperlichen Probleme prompt.

Von Cahors ging es weiter durch die Dörfer Lauzerte und Auvillar sowie die Städte Moissac und Condom, wo mich einer der jungen Franzosen, die ich in Puy-en-Velay getroffen hatte, für zwei Nächte beherbergte.

Etwas unter Zeitdruck geraten, nahm ich für die folgenden 80 Kilometer und eine Strecke, die als langweilig gilt, den Bus. Danach blieben nur noch zehn Kilometer, bevor ich das wundervolle Baskenland erreichte und die Silhouette der Pyrenäen vor mir sah. Hier lernte ich einen Österreicher in meinem Alter kennen, mit dem ich dann zwei Wochen lang unterwegs war. Die Begegnung machte meine Reise beschwingter: Die Biere, die wir an den verschiedenen Etappenorten miteinander tranken, taten gut.

Hinter den Pyrenäen

Nach einer letzten Regen-Etappe erreichten wir Saint-Jean-Pied-de-Port, unseren letzten Halt auf französischem Boden. Was für ein Schock! Waren die Pilgerinnen und Pilger bisher meist aus Frankreich gekommen und gesetzteren Alters, so änderte sich das nun. Das Dorf ist Ausgangspunkt für Menschenmengen jeder Herkunft und jeden Alters. Auch die Unterkünfte wurden grösser und unpersönlicher, beim Duschen und Kochen brauchte es viel Geduld und Toleranz.

Nachdem ich tagelang den Pyrenäen entgegengewandert war, ging mir ihre Überquerung fast zu schnell. Eine steile Etappe (über 1200 Meter Aufstieg und ein paar Flocken auf dem Gipfel) führte über die Grenze hinunter nach Roncesvalles, den ersten spanischen Etappenort. Der Jakobsweg in Spanien ist in verschiedener Hinsicht anders: Die Städte sind grösser, einige Strecken können echt unangenehm sein. Doch die Moral blieb immer gut. Ich kam an den schönen Städten Pamplona, Logroño, Burgos und ein paar hübschen Dörfern vorbei und habe denkwürdige Abende mit Leuten aus drei verschiedenen Kontinenten erlebt.

Und mühsame letzte Kilometer

In Burgos nahm ich für 220 Kilometer erneut den Bus, um León nach einem Kurzbesuch hinter mir zu lassen. Es folgten mehrere lange, tolle Etappen mit der Überquerung des Kantabrischen Gebirges und dem höchsten Punkt (über 1500 Meter über Meer) bis zur Ankunft in Galizien. Die letzten 100 Kilometer waren enttäuschend und anstrengend, nicht wegen der Schwierigkeit der Strecke, sondern wegen der (zu) vielen Pilgerinnen und Pilger, die nur die letzten drei Etappen absolvieren.

Anfang Juni erreichte ich Santiago de Compostela völlig durchnässt, aber voller Vorfreude auf mein ultimatives Ziel: das Meer. Die letzten vier Tage waren herrlich: Das Bad im Meer von Muxìa bleibt einer der schönsten Momente meines Abenteuers. Das Leben unterwegs ist in verschiedener Hinsicht einfacher. Ich freute mich jeden Morgen, weiterzugehen, Leute zu treffen oder auch alleine die Landschaften zu geniessen.

Es ist ein Leben in einer Art Blase: das Knüpfen von Kontakten fällt leichter und die Menschen sind offener. Zwar haben alle ihre eigenen Gründe für die Reise, doch sie teilen die Freude am Wandern. Ich glaube auch nach meiner Rückkehr nicht an Gott. Aber ich bin vielleicht offener geworden und noch mehr bereit, meine Komfortzone zu verlassen. Das Glücksgefühl, das die Reise in mir auslöste, hielt über mehrere Monate an und liess mich auch ungeduldig werden: Ich will bald neue Wege entdecken.

Praktische Infos: Via Podiensis und Camino Frances

Anreise: Via Genf und Lyon bis Puy-en-Velay.

Unterkunft: Zahlreiche Pilgerherbergen (Gîtes), auf französischer Seite ist eine Reservation im Voraus zu empfehlen, auf spanischer Seite sind Reservationen nicht möglich, und viele private Unterkünfte. Kosten in Frankreich pro Nacht 10 bis 20 Euro, in Spanien 5 bis 20 Euro. Tipp: Halbpension in Frankreich, so lernen Sie feine lokale Spezialitäten kennen. Achtung: für die Pilgerherbergen braucht es einen Pilgerpass.

Tipps: Die Beleuchtung des Portals der Klosterkirche von Conques und die Variante durch das Célé-Tal. Zudem drängt sich ein kleiner Umweg über Saint-Cirq-Lapopie auf. Nach der Ankunft in Santiago: ein Ausflug nach Muxìa und Finisterre. Wanderstöcke sind eine grosse Hilfe.

Vorbereitung: Pilgerpass auf viajacobi4.ch oder unterwegs an vielen Orten.

Nach meinem Studium und einem Praktikum verspürte ich das Bedürfnis, auf Reisen zu gehen. Beim Reisen verlasse ich gerne meine Komfortzone. So wusste ich bereits zu Beginn, dass die Füsse mein wichtigstes Transportmittel sein sollten. Das Vorhaben, einen der Pilgerwege nach Santiago de Compostela zu erkunden, konkretisierte sich hingegen erst kurz vor dem Abreisetermin.

Als Mensch, der nicht an Gott glaubt, fand ich diese Idee nämlich erst eher absurd. Nach einigen Recherchen hatte ich meine Vorurteile aber überwunden und bekam Lust, diese kulturell und historisch vielfältigen Wege selber zu begehen. Es blieb mir nur wenig Zeit, gute Schuhe und das nötige Material für eine Wanderung zu organisieren, die über 50 Tage dauern sollte. Da ich in Hütten und im Zelt übernachten wollte, wog mein Rucksack fast 15 Kilogramm. Seit meiner Kindheit war ich kaum mehr gewandert und hatte nie im Zelt übernachtet: Man kann sagen, dass ich miserabel vorbereitet war.

Ein schmerzvoller Start

Mitte April packte ich also meinen grossen Rucksack und fuhr mit dem Zug nach Puy-en-Velay in Frankreich – besonders schön war die letzte Stunde der Loire entlang. Als Erstes machte ich mich auf die Suche nach einer Herberge. Danach besuchte ich die Stadt und ihre eindrückliche Kathedrale. Abends lernte ich zwei junge Franzosen kennen, die in der gleichen Unterkunft übernachteten und eine zweiwöchige Wanderung planten. Nach dem Abstempeln der Pilgerpässe am nächsten Morgen gingen wir gemeinsam los, bevor sich unsere Wege mittags bereits trennten.

Die Probleme begannen am zweiten Tag. Mein Körper litt unter der mangelnden Vorbereitung und dem schweren Rucksack. Zum Glück traf ich am Abend auf eine äussert nette Familie aus La Chaux-de-Fonds, die meine Wunden versorgte und mir wertvolle Tipps gab. Auch das Wetter war launisch: Nachdem ich Puy-en-Velay in Shorts und T-Shirt verlassen hatte, musste ich bald mit Regen, Kälte, Hagel und Sturm kämpfen. Noch lange werde ich mich an den letzten Tag im Aubrac und meine durchnässten Kleider erinnern … Trotzdem gehört der erste Abschnitt von Puy-en-Velay bis Conques zu den schönsten und wildesten des ganzen Wegs, entlang an wunderbaren Dörfern wie Saint-Côme-d’Olt oder Estaing.

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