«Schön und schonend reisen»

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«Die wahre Grösse der Insel offenbart sich, wenn man sie erwandert.» Als Blickfang für die Elba-Reportage diente diese Aufnahme der Bucht von Cavoli.

Seit langem ist das VCS-Organ auch ein Freizeitmagazin. Von Meereshöhe bis auf 4153 Meter über Meer, beim Besuch des Bishorns, waren Autorinnen und Autoren unterwegs, um Lust zu machen auf Ausflüge und Touren, die keinen grossen ökologischen Fussabdruck hinterlassen. Und umso mehr bleibende Eindrücke.

Die neue Rubrik kommt gut an

Reisen bildet nicht nur, es verändert auch die Welt, leider nicht nur zum Guten. Selbstverständlich war dies im VCS-Heft schon ein Thema, bevor der Touren-Tipp als Serviceleistung seinen festen Platz bekam, sei es in der Rubrik Kultour oder in Form eines Artikels über ein neues Radroutennetz in Grossbritannien. Natürlich bewarb man die «hauseigenen» Angebote von Via verde. Und ein sommerlich leichtes Dossier verführte via Buchbesprechungen zur Reise an kriminalliterarische Schauplätze.

Das neue Gefäss erntete Lob, regelmässig trafen Bitten um Zusatzauskünfte ein. Auffällig viel Echo löste der Touren-Tipp aus, als er sich erstmals mit dem Velo in den französischen Jura, die Franche-Comté, vorwagte, und als er zu Wanderungen im meernahen italienischfranzösischen Grenzgebiet, dem Roya-Tal, aufbrach. Natürlich gab und gibt es auch Kritik: Unseren Leserinnen und Lesern scheint nichts zu entgehen, weder dass der Türkenbund keine Orchidee, sondern eine Lilie ist, noch dass nicht von der Dent, sondern von den Dents de Morcles die Rede zu sein habe. Aus Reklamationen, ob berechtigt oder nicht, entsteht Dialog.

Erhellendes und Erheiterndes

Eine neue Ära brach an, als Peter Krebs zum VCS wechselte. Er hatte zuvor mit seinem Team das SBB-Magazin «Via» zu einem Heft gemacht, das den Vergleich mit Outdoor-Fachzeitschriften nicht zu scheuen brauchte. Nun öffneten sich die Spalten des VCS-Magazins fürs Genre der Reisereportage, für hauseigene wie für solche aus der Feder renommierter Gastautorinnen und -autoren. Seither sind Geschichten aus nahezu allen Kantonen, aus Süd-, West-, Nord-, Mittel- oder Südosteuropa erschienen.

Dem Boom der Städtereisen trug das VCS-Magazin Rechnung, indem es, um nur ein paar zu nennen, Wien und Berlin, Nantes und Lyon, Olten und Morges, Genua und Bologna besuchte. Daneben pflegte Peter Krebs auch den Essay, schrieb über den tieferen Sinn des Wanderns, die erstaunliche Geschichte des Wanderstocks oder über eine Amour fou, die ihn ereilt hatte: zu einem Sportgerät, dem Rennvelo.

Maia, Barbescio und Balladrum

Zurück dorthin, wo alles begann – und weiter auf die gegenüberliegende Talseite, zu einem Streifzug durch die eigentümliche Landschaft zwischen Losone und dem Langensee. Bewaldete Hügel und Tälchen mit Wasserläufen, markante Felsbuckel, Weiher und Sümpfe prägen ihr Bild. Ein Wegnetz durchzieht sie, auf dem sich stundenlang wandern, wandeln oder joggen lässt, rund ums Jahr. Ausgenommen vielleicht schwüle Sommerabende, weil blutrünstige Plagegeister die Freude dann zu sehr vergällen.

Als Startpunkt – und als Destination – ideal ist das Grotto Raffael in Losone. Zu seiner Rechten geht der Wanderweg ab, linker Hand markiert eine Infotafel mit Übersichtskarte den Anfang eines Pfads. Beide führen in das sich selbst überlassene Waldreservat namens Maia. Optimistisch, wie man war, wurde auf der Karte auch der provisorische Perimeter des Nationalparks eingezeichnet.

Unsere Parcours-Empfehlung: Auf dem Weg links zum Mondrigo-Weiher, dann kurz talwärts, wieder hinauf in Richtung Maia – am besten über den Hügelrücken hinweg –, dann hinab und hinüber zum Barbescio, um ihn zu umrunden oder, natürlich noch besser, zu besteigen. Die Felsbastion ist auch eine familienfreundliche Spielwiese für Kletterlustige.

Es folgen Lauro, Zelindo oder la Risata: keine weiteren Hügel, sondern Grotti im Dörfchen Arcegno. Danach den Gratena-Hügel anzugehen, ist schon mal sehr schön. Vor allem aber lasse man sich den Balladrum, mit 483 m die höchste Erhebung des Landstrichs, nicht entgehen. Nur 80 Höhenmeter trennen ihn von der Strasse nach Ronco sopra Ascona (Buslinie 314), trotzdem kommen angesichts des Panoramas Gipfelgefühle auf. Blühen die zahllosen Erikas, trägt der Balladrum eine rosa-purpurne Mütze.

Etwa eine halbe Stunde dauert der Abstieg zum Hausberg Asconas, dem berühmten Monte Verità. Die sanftere Variante ist jene links. Die seeseitige bietet Bergwanderterrain und felsige Aussichtsbalkone, offenbart die wilde Seite Asconas. Die Topografie, die Natur: zweifelsfrei nationalparkwürdig. Die Asconesi hatten denn auch klar Ja gesagt.

Der Sinn guter Reisegeschichten und wie sie entstehen

Die rasant gewachsene Freizeitmobilität verlangt nach Antworten. Der VCS beschäftigt sich seit je damit, wie das Ausfliegen in umweltfreundlichere Bahnen zu lenken wäre. Dienen da eigene Reise-Rubriken der Sache? Das VCS-Magazin hat bei einem nachgefragt, der es wissen muss.

Peter Krebs, wozu braucht es überhaupt Reisereportagen und Ausflugstipps in einem Heft wie dem unseren?

Es braucht sie, damit die Leute, die auswärts etwas unternehmen wollen, auf gute Ideen kommen – statt eine Kreuzfahrt zu buchen oder mit dem Camper 20 Liter Benzin pro 100 Kilometer zu verbrauchen. Solche Reiseformen richten grosse Schäden an. Die Vorschläge im VCS-Magazin führen vor Augen, dass sinnvollere Formen ebenso erlebnisreich sein können. Am schönsten ist es, wenn die Leute noch nach Jahren sagen, man habe ihnen zu unvergesslichen Ferien, zu ungeahnten Entdeckungen verholfen.

Aber verstehst du, wenn jemand sie für Platzverschwendung auf Kosten der politischen VCS-Anliegen hält?

Eigentlich nicht. Sicher: Die Leute wollen über Verkehrspolitik informiert sein, aber eben nicht nur. Ausserdem sind auch Reisen politisch relevant. Wenn der VCS keine Vorschläge macht, bleiben die Leute deswegen ja nicht zu Hause. Sie suchen die Ideen dann woanders. Ich selber schrieb übrigens genauso gerne politische Artikel wie Reiseberichte. Die Vielseitigkeit ist doch die Stärke eines Magazins.

Bist du damals, als du die Rubrik stark ausbautest, auf Widerstand gestossen?

In der Zentrale in Bern am Anfang kaum. Vorbehalte kamen aus einzelnen Sektionen. Sie waren zum Teil halbwegs nachvollziehbar, zum Teil aber auch besserwisserisch.

Hast du eine Definition dafür, was eine gute Reisereportage ausmacht?

Gut ist sie dann, wenn man sie mit Gewinn liest, auch wenn man die Reise gar nicht antritt: weil man etwas über das Land erfährt und weil der Text gut geschrieben ist. Ich erachte Sprachwitz und Stil als gleich wichtig wie den Inhalt. Ein guter Reisebericht ist wie jeder gute Text mit Arbeit und Recherche verbunden. Unterwegs ein paar Notizen und Föteli zu machen und dann seine Erlebnisse in der Ich-Form bequem in die Tasten zu tippen, reicht nicht. 

Sind deiner Meinung nach die Teilnahme an Pressereisen und unabhängiger Journalismus miteinander vereinbar?

Ich habe es vermieden, auf organisierte Reisen zu gehen. Nicht in erster Linie wegen der finanziellen Abhängigkeit, die so entstehen kann, sondern weil man weniger intensiv und weniger aufmerksam unterwegs ist, wenn alles serviert wird. Das gibt keine guten Geschichten. Auch wenn ich mir die Übernachtungen mal finanzieren liess, bestand ich auf einem eigenen Programm.

Zum Schluss dein Geheimtipp, den du bislang nie verraten hast …

Gehe deine eigenen Wege, sei kritisch auch gegenüber den Kritischen, und unternimm eine Reise nicht nur, weil du damit in deinem Milieu und auf Facebook angeben kannst. Der Berner Journalist

Peter Krebs war von 2007 bis 2012 Redaktor des VCS-Mitgliedermagazins. Er schreibt Wanderbücher und engagiert sich als Präsident des Vereins Sentieri Ossolani für die Instand-stellung von Wanderwegen in den Ossolatälern (sentieriossolani.ch).

Ein paar Highlights aus 17 Jahren

En France, à vélo

Nach seiner Lieblingsgeschichte im VCS-Magazin gefragt, sagt Peter Krebs rückblickend, es gebe da so einige, kurze und lange. Aber Veloreisen in die «France profonde» habe er immer besonders ergiebig gefunden.

Zum Auftakt (Nr. 3/08) nahm Krebs die Leserschaft auf seine 550-km-Tour zwischen Mâcon und Cahors mit und schickte voraus: «Frankreich ist eine besondere Radfahrernation. Das Fahrrad heisst hier ‹kleine Königin› und wird behandelt wie eine Magd, wenn es kein Rennvelo ist, das an der Tour de France teilnimmt.» Und doch sei es das wunderbarste Veloland, das man sich denken könne, dank der unzähligen verkehrsarmen Nebenstrassen und Pässe, die kein Reiseführer erwähne. «Man darf sie selber entdecken, wofür man mit der Zeit eine Nase hat. Sie führen in das Geheimnis jenes ländlichen Frankreichs, das im Schatten von Paris seinen Beschäftigungen nachgeht und für den Durchreisenden einen eigenen Charme entfaltet, wie eine verkannte Blume.»

Zu ganz ähnlichen Schlüssen kamen auch andere VCS-Autoren, die zwischen Mittelmeer, Atlantik und Ärmelkanal geradelt waren. Es ist da ein Fundus an Geschichten zusammengekommen, die als Ganzes eine hübsche Publikation ergäben – vielleicht eine Idee fürs 50-Jahr-Jubiläum des VCS.

Zu Fuss ans Meer

Disziplin Nummer eins auf den Reiseseiten ist das Zufussgehen – vom Seeuferbummel bis zur Gratwanderung. Die längste beschriebene Route führt von den Ossolatälern dem Alpenbogen entlang nach Ventimiglia. In der Ausgabe 3/13 war eine Liebeserklärung an die GTA, die Grande Traversata delle Alpi, zu lesen, an dieses «piemontesische Schlemmermenü für Weitwanderlustige, die gerne Höhenmeter sammeln», aber auch an Menschen, die der Autor und Mitwandernde kennen gelernt hatten.

«Gibt es eine bessere Form, Fernweh zu stillen, als Schritt für Schritt – mit aller Zeit der Welt für Begegnungen, die neue Horizonte eröffnen?» Natürlich nicht. Man kann nicht genug Werbung machen für diesen mustergültigen Versuch, den sanften Tourismus in einer peripheren Region anzukurbeln.

Zug statt Flug

Über 60 Städte in Europa und die besten Bahnverbindungen dorthin sind auf der Übersichtskarte verzeichnet, die der VCS erstellte, um zu zeigen, dass es sehr gut oder gar besser auch ohne Flugzeug geht. Sehr oft sogar auch noch billiger, nicht nur bequemer.

Zug statt Flug ist auch der Gedanke, der hinter dem Projekt «Youth Alpine Interrail» Steckt. Die VCS-Redaktorin Camille Marion gehörte zu den 100 jungen Menschen, die im Alpenraum unterwegs waren und darüber in den sozialen Netzwerken berichteten. Ihre Reportage <link unterstuetzen services magazin ausfluege detail artikel alpen-immer-dem-wasser-nach external-link>«Alpen: Immer dem Wasser nach», die sie bis nach Slowenien führte, wurde mit einem Preis ausgezeichnet. Die Bilanz des Projekts ist äusserst positiv, es wird im nächsten Sommer zum zweiten Mal durchgeführt.

Emmentaler Krokusse

Lange vor dem Social-Media-Zeitalter pries der Touren-Tipp die Krokusteppiche am Rämisgummen - zur Freude vieler Mitglieder und auch des Schriftstellers E.Y. Meyer, der im Text zitiert worden war. Inzwischen findet dort, zum Verdruss von Einheimischen, jeden Frühling ein motorisierter Massenansturm auf das Naturphänomen statt. Wir waschen unsere Hände in Unschuld: Was wir empfehlen, ist zu Fuss, auf Langlauf- oder Tourenski, mit dem Velo oder dem Boot, per Alpentaxi oder Seilbahn, jedenfalls aber ohne Privatauto und EasyJet erreich- beziehungsweise machbar, selbst wenn Dublin das Ziel ist oder der nördlichste Leuchtturm auf dem europäischen Festland.

Reise-Sondernummern

Die Nr. 3/08 war die erste einer ganzen Reihe von Sondernummern zum Thema Reisen. Sie verriet unter anderem, «wo die Schweiz baden geht», verführte zum Wandern vom Mittelland bis auf die Äolischen Inseln, propagierte Basel–Moskau retour per Zug, ging mit dem Postauto paddeln und griff unter dem Titel «Neue Wege braucht das Land» – nicht zum letzten Mal – das leidige Problem der Asphaltierung von Wanderwegen auf.

Wer eine umweltfreundliche (Freizeit-)Mobilität fördern will, muss sich um die Infrastruktur kümmern – und Ideen zum damaligen Motto «Schön und schonend reisen» liefern.

Tatsächlich, es ist noch da, sogar mit neuem Logo versehen. Es, das Fossil. Als solches wurde im Leonardo 1/2003, wie das VCS-Magazin damals hiess, die abgebildete ACS-Notrufsäule am Eingang des Onsernonetals betitelt. Von «Sonnensuche am Südhang» handelte dieser allererste «Touren-Tipp» des VCS, der – ausgehend von der Postauto-Haltestelle Cratolo – über die Alp Vii nach Cavigliano führte.

Unlängst waren wir wieder mal dort, frotzelten ein weiteres Mal darüber, dass alle automobilistische Herrlichkeit ein Ablaufdatum hat, und fanden auch sonst alles so vor, wie wir es in bester Erinnerung hatten. Sogar die Gämse – eine (Ur-)Enkelin der damaligen? – war wieder da. Hinzugekommen sind neue Wegverbindungen, die das Wandern an den Hängen des Salmone (1559 m) noch variantenreicher machen.

Nichts geworden ist aus dem Nationalpark im Locarnese, auf dessen Boden wir uns nun befunden hätten. Nicht dass der Erlebniswert ein anderer wäre, aber das knappe Scheitern dieses naturschützerisch wie touristisch richtungsweisenden Projekts wurmt. Zuvor war ja schon der bündnerisch-tessinische Nationalpark Adula an berglerischer Engstirnigkeit zerschellt. Beide Projekte hatte das VCS-Magazin dann und wann begleitet – wie es überhaupt das Augenmerk auf die Schweizer Naturparklandschaft und deren Erschliessung richtete.

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