Untersee: dem Naturschutz auf der Spur

Das Mindelseemoor lässt sich zu Fuss oder per Velo auf vielfältigen Wegen erkunden.

Drei Reiseziele auf der deutschen Seite des Untersees – dem westlichen Teil des Bodensees – machen zeitgemässen Natur- und Landschaftsschutz erlebbar: der kleine Mindelsee hinter Markelfingen, das Wollmatinger Ried bei Konstanz und der kegelförmige Hohentwiel bei Singen.

Ziegen am Mindelsee

Ein Ausflug an den Mindelsee darf bei einer Reise in die Region nicht fehlen. Er hat eine Grösse von 1,15 Quadratkilometern und liegt nur wenige Kilometer hinter Markelfingen am nördlichen Ufer des Untersees in einem Moorgebiet. Entdeckt werden kann er auf der 13 Kilometer langen Mindelsee-Runde mit Start und Ziel in Markelfingen. Die Rundtour kann zu Fuss oder per Velo in Angriff genommen werden.

Das Mindelseemoor ist, wie der Hohentwiel, während der letzten Eiszeit entstanden. Nach mehrmaligen grossen Eingriffen in die Natur – etwa die Absenkung des Seespiegels 1847 um fast 1,5 Meter – steht das Gebiet seit 1938 unter Naturschutz. Heute zählt es zu den «Natura-2000-Gebieten», einem EU-weiten Netz von Schutzgebieten.

Pflege und extensive Nutzung

Wer den See umrundet, kann immer wieder zwischen wassernahen Wegen und Varianten oberhalb des Sees wählen – empfehlenswert ist eine Kombination. Die verträumten schmalen Wege entlang der Schilfgürtel lassen einen die Zeit vergessen. Vom Höhenweg zwischen Möggingen über Dürrenhof nach Hirtenhof ist die Sicht auf den spiegelglatten See phantastisch – bei klaren Verhältnissen ist am Horizont gar das Alpenpanorama zu sehen. Am gegenüberliegenden Ufer steht das einzige Gebäude: Ein Bootshaus einer Fischerfamilie, die das Fischwasser Mindelsee seit mehreren Jahrzehnten gepachtet hat.

Das Mindelseemoor beheimatet mit seinen verschiedensten Lebensräumen wie offene Seeflächen, Bäche und Gräben, Schilfgebiete, Streuwiesen, Äcker und Wälder eine ausgesprochen vielfältige Flora und Fauna – es gibt 700 Blütenpflanzen und 2000 Tierarten, darunter mehr als 210 Vogelarten.

Mit seinen sehr nassen Flächen und hängigen Wiesen ist das Niedermoor sehr schwer zu bewirtschaften. Gerade Feuchtwiesen haben die Tendenz, schnell zu verbuschen. Mit regelmässigen Pflegemassnahmen durch den Bund für Umwelt und Naturschutz und extensive Nutzung durch Landwirte wird dies verhindert und die einzigartige Vielfalt gefährdeter Arten gesichert. Bei der Seeumrundung tauchen in einem Waldstück plötzlich Ziegen auf – sie sind auch rund um den Mindelsee im Einsatz gegen die drohende Verbuschung.

Biber im Wollmatinger Ried

Das Wollmatinger Ried neben Konstanz ist das grösste und bedeutendste Naturschutzgebiet auf der deutschen Bodenseeseite – ausgezeichnet mit dem Europadiplom, der höchsten Auszeichnung der Europäischen Union für Naturschutzgebiete. Es beginnt bei der Einmündung des Seerheins in den Untersee und erstreckt sich über eine Fläche von 767 Hektaren. Es beheimatet unter anderem 300 Vogelarten – darunter viele Zugvögel –, 600 Farn- und Blütenpflanzen und 27 Orchideenarten.

Das Wollmatinger Ried ist nur an sehr wenigen Stellen öffentlich zugänglich. Individuelle Erkundungen sind auf dem Gottlieber Weg, der von der Kläranlage bis zum Seerhein führt, oder auf dem Reichenauer Damm, der die Insel Reichenau mit dem Festland verbindet, möglich. Sämtliche Lebensräume des Wollmatinger Rieds lassen sich nur im Rahmen offizieller Führungen erleben, die der Naturschutzbund ganzjährig und zahlreich anbietet. Sie dauern zwei oder drei Stunden, der Treffpunkt ist zu Fuss in 15 Minuten vom Bahnhof Wollmatingen der Regionalbahn «Seehas» aus erreichbar.

Plastikrohre und künstliche Inseln

Wer auf dem weitläufigen Gebiet Menschen erblickt, hat es aber nicht zwingend mit unerwünschten Eindringlingen zu tun. Praktikantinnen und Praktikanten des Naturschutzbundes kartieren im Wollmatinger Ried systematisch Pflanzen, um Auswirkungen von Massnahmen – oder auch extremer Witterungsverhältnisse wie im Sommer 2018 – auf die Pflanzenwelt zu messen.

Auch im Wollmatinger Ried braucht es bisweilen menschliche Eingriffe. Davon zeugen zwei Plastikrohre, die durch einen Biberbau führen. Weil Biberbauten nicht zerstört werden dürfen, aber das gestaute Wasser drohte, die nahe Bundesstrasse zu überfluten, ordnete die Biberbeauftragte Baden-Württembergs diese kreative Massnahme an. Seither sorgen die Rohre dafür, dass das Wasser abfliessen kann.

Aus Menschenhand stammen auch die Flosse, die von der Beobachtungsplattform beim Ermatinger Becken aus zu sehen sind. Bis in die 60er-Jahre gab es an dieser Stelle natürliche Inseln aus sogenanntem Schnegglisand – Kalkknollen, die durch Kalbabscheidungen von Blaualgen, oft um Schneckengehäuse, entstanden sind. Fluss-Seeschwalben brüten nur, wenn ihr Brutplatz von Wasser umgegeben ist –deshalb ersetzen die Flosse die heutzutage überschwemmten Inseln.

Schafe auf dem Hohentwiel

Hinter der Industriestadt Singen, auf der deutschen Seite des Untersees, erhebt sich ein bizarrer Hügel. Entstanden vor Jahrmillionen durch vulkanische Tätigkeit, haben die Gletschermassen der letzten Eiszeit nur den kegelförmigen harten Kern des Vulkans stehen gelassen. Der Hohentwiel macht – zusammen mit acht weiteren Kegeln – die markante Landschaft des Hegau aus.

Auf dem Hohentwiel wird seit Jahrhunderten Obst- und Weinbau betrieben. 600 Schafe und 30 Ziegen weiden auf dem Gelände, das seit 1941 ein Naturschutzgebiet ist. Der Wanderweg «Hohentwieler» beginnt beim Infozentrum in der alten Remise des Gutshofes Hohentwiel. Er führt über die Festungsruine auf dem Gipfel und um den benachbarten Kegel Staufen.

Monokultur und Bioweinbau

Der Hohentwiel ist heute eine hochverdichtete Kulturlandschaft – ein Spannungsfeld zwischen Naturschutz, Landschaftspflege und Ansprüchen an die Wirtschaftlichkeit. Beispielhaft dafür ist das Maisfeld am Fusse des Hügels. Zwei bis drei Prozent der Fläche werden mit Mais – eigentlich Inbegriff naturschutzferner Monokultur – bepflanzt. Dieser Mais wird im Winter an die Mutterschafe verfüttert, sodass kein Futter zugekauft werden muss. Die Schafe sind übrigens an der erfolgreichen Erhaltung der Kulturlandschaft massgeblich beteiligt: Ihrem steten Knabbern an Bäumen und Sträuchern ist es zu verdanken, dass die Landschaft nicht verbuscht. Das wiederum freut etwa die Heuschrecken-Liebhaber – die Insekten mögen freie Flächen, die sich durch intensive Sonneneinstrahlung gut erwärmen. Anders die Ornithologin, die um den bewaldeten Lebensraum der Vögel fürchtet.

Der Abstieg auf der nordwestlichen Seite des Hohentwiels führt mitten durch den höchstgelegenen Weinberg Deutschlands. Die Winzerfamilie Vollmayer hat vor knapp zehn Jahren komplett auf Bioweinbau umgestellt. Vom Fusse des Weinbergs setzt sich der Wanderweg über Twielfeld fort.

Informationen

Anreise: Mit dem Zug nach Konstanz, Radolfzell oder Singen. Die Regionalbahn «Seehas» verkehrt im 30-Minuten-Takt zwischen Konstanz und Singen. Dank gut ausgebauter Radwege lassen sich die Rundgänge und Wanderungen hervorragend mit Velofahrten kombinieren.

Unterkunft: Rund um den Untersee gibt es zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten aller Kategorien. Einfache und günstige Zimmer bietet das Naturfreundehaus Markelfingen an (www.naturfreundehaus-bodensee.de) – unbedingt im Voraus reservieren!

Wanderweg «Hohentwieler»: www.bodenseewest-touren.eu

Mindelsee-Runde: www.radolfzell-tourismus.de

Führungen Wollmatinger Ried: www.nabu-wollmatingerried.de

Weitere Informationen: www.bodenseewest.eu

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