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Neue Mobilitätsformen auf dem Land

Von Sabine Camedda  VCS-Magazin 2/2024

Im ländlichen Raum setzt sich die Bevölkerung zu oft ins Auto, um zur Arbeit zu pendeln oder um Besorgungen zu machen – auch für kurze Strecken. Im Toggenburg wird nach Lösungen gesucht und alternative Mobilitätsangebote werden getestet.

    

Im Toggenburg warten viele Jugendliche sehnsüchtig auf den Moment, an dem sie die Fahrprüfung machen können. In der Region mit der typischen Streusiedlungsstruktur, wo einzig der Talgrund und grössere Ortschaften mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen sind, bietet ein Auto Unabhängigkeit. Die Folge davon ist, dass viele für den Arbeitsweg und selbst für Besorgungen in der Gemeinde das Auto nutzen. Oftmals sitzt im Fahrzeug gerade einmal eine Person.

Ziel: Mehr Personen im Auto

Die Region Toggenburg hat gemeinsam mit der Gemeinde Nesslau und mit Unterstützung durch EnergieSchweiz sowie weiteren Partnerorganisationen ein Mobilitätsökosystem definiert und aufgebaut. Dieses soll den motorisierten Individualverkehr (MIV) verringern. Gemeinsam mit der Bevölkerung wurde ein Katalog mit verschiedenen Angeboten definiert. Einige von denen wurden detaillierter ausgearbeitet und werden nun als Pilotprojekte getestet. Seit bald zwei Jahren stehen sogenannte Mitfahrbänkli an mehreren Strassen. Wer auf einem dieser Bänkli Platz nimmt, signalisiert damit, dass er oder sie mitgenommen werden möchte. In einer Umfrage unter den Nutzerinnen und Nutzern zeigte sich, dass die Wartezeit selten länger als 15 Minuten dauert. Genutzt wird das Mitfahrbänkli vor allem in der Freizeit.

Ergänzend dazu wurde im vergangenen Dezember in den Gemeinden Nesslau und Wildhaus-Alt St. Johann der Pilotbetrieb eines Fahrdiensts auf Verlangen gestartet. Elektrisch betriebene Fahrzeuge befördern die Passagiere abseits der öffe tlichen Verkehrsachsen. Sie verkehren ohne einen fixen Fahrplan. Eine Fahrt kann auf einer App gebucht werden, entweder einige Tage im Voraus oder spontan. Abgerechnet wird jede Nutzung des Fahrzeugs.

    

Kein statisches System

Ein Mobilitätsökosystem beinhaltet diverse Angebote von verschiedenen Diensten. Damit können die vielseitigen Bedürfnisse in einer Region abgedeckt werden. Das System ist nicht statisch, weil sich die Mobilitätsangebote mit der Zeit verändern. Neue Angebote, die neue Bedürfnisse abdecken, werden ins bestehende System integriert, andere Dienste können mit der Zeit in den Hintergrund treten oder ganz verschwinden.

    

Nicht alles wird genutzt
Wie gross der Anklang dieses Fahrdienstes auf Verlangen ist, kann noch nicht abgeschätzt werden. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass das Interesse bei der Bevölkerung vorhanden ist. Weil der Pool an Fahrerinnen und Fahrern noch klein ist, kann noch nicht das Maximum an Fahrten angeboten werden. Potenzial für dieses Angebot sehen die Verantwortlichen auch bei den Touristinnen und Touristen und beim Klanghaus in Wildhaus. Für die Erschliessung dieses kulturellen Zentrums wird gänzlich auf ein öffentliches Fahrdienstangebot gesetzt.

Im Rahmen des Mobilitätsökosystems wurde erkannt, dass einige Angebote von der Bevölkerung nicht angenommen werden. Eine Mitfahr-App, die vor allem Pendlerinnen und Pendler anspricht, wird kaum genutzt. Auch haben mehrere Befragungen bei der Bevölkerung gezeigt, dass sie einem Angebot mit E-Scootern oder einer Wechselstation von Akkus für E-Bikes skeptisch gegenüberstehen.

Die Verantwortlichen des Mobilitätsökosystems verfolgen gespannt, wie sich die verschiedenen Pilotbetriebe entwickeln. Sie sind überzeugt, dass sich zusammen mit den bestehenden Carsharing-Angeboten eine gute Mischung von alternativen Mobilitätsformen ergibt. Damit soll es gelingen, dass auf Zweit und Drittautos verzichtet werden kann und für kurze Distanzen nicht mehr das eigene Auto genutzt wird. Und um den jungen Menschen die gewünschte Flexibilität bieten zu können, sollen sie ein Jahresabo für den Fahrdienst auf Verlangen geschenkt bekommen, sobald sie volljährig sind.

 

Sabine Camedda ist Leiterin Kommunikation bei Energietal Toggenburg.

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