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22. August 2024
Klimasenior*innen
Miriam Kuenzli Greenpeace
Pia Hollenstein gehört zu den Mitgründerinnen der KlimaSeniorinnen Schweiz.

Ein historisches Engagement

Die KlimaSeniorinnen Schweiz erzielten im April einen wichtigen Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für Pia Hollenstein steht fest: Unabhängig von der Generation lohnt sich Hartnäckigkeit im Kampf gegen die Klimakrise.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz polarisiert seit der Verkündigung. Es gibt juristische Debatten darüber, ob der Schutz vor den Folgen des Klimawandels ein Menschenrecht sei. Das nationale Parlament will den Bundesrat dazu bringen, das Urteil nicht umzusetzen. Und populistische Forderungen nach einem Austritt aus dem Europarat werden laut.

Pia Hollenstein (74), ehemalige Nationalrätin und ehemaliges Mitglied des VCS-Zentralvorstandes, war während des gesamten Verfahrens dabei. 2016 gehörte sie zu den Gründerinnen des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz, unterstützt von Greenpeace. Der Verein setzte sich zum Ziel, auf juristischem Weg einen besseren Klimaschutz zu fordern. Aus eigener Betroffenheit, sind doch ältere Frauen gemäss Bundesamt für Gesundheit anfälliger auf Herzkreislaufbeschwerden, die durch vermehrte Hitzewellen verursacht werden.

Bundesrat in der Pflicht

Nachdem die Schweizer Gerichte gar nicht erst auf die Klage eingegangen waren, klagten
die KlimaSeniorinnen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Damit wurde zum ersten Mal geprüft, ob eine Menschenrechtsverletzung vorliegt, wenn ein Staat zu wenig unternimmt, um seine Bürgerinnen und Bürger vor den Folgen der Klimakrise zu schützen. Die KlimaSeniorinnen haben Recht bekommen. Die Schweiz ist ihren Schutzpflichten nicht genügend nachgekommen.

Für Hollenstein ist klar, dass der Bundesrat jetzt seine Hausaufgaben erledigen muss: «Er sollte das Gerichtsurteil als Chance erkennen, um die nötigen Massnahmen für einen besseren Klimaschutz einzuleiten. Das Vorsorgeprinzip und das Nachhaltigkeitsprinzip in der Bundesverfassung sind Auftrag und Verpflichtung.» Denn schliesslich habe die Schweiz kein Interesse, international den Eindruck zu erwecken, als würde sie die Menschenrechte nicht achten.

Gegen die eigene Ohnmacht 

Dass Frauen im Pensionsalter über acht Jahre für ihre Anliegen kämpfen, ist beeindruckend. Zwar sind sie bereits stark betroffen von Hitzewellen, doch spätere Generationen werden von den Auswirkungen der Klimakrise noch viel stärker betroffen sein. Warum also dieses grosse Engagement? Hollenstein wollte auch nach verdienter Pension einen Beitrag leisten. «Würde ich nichts tun, würde ich mich ohnmächtig fühlen. Viel lieber will ich dort einen Beitrag leisten, wo es mir wichtig ist», sagt sie. Dafür nutzten sie und ihre Mitstreiterinnen alle Kanäle unserer Demokratie, auch wenn der juristische Weg viel Ausdauer verlangte.

Dass Vereine den juristischen Weg wählen, ist eine Seltenheit. In der Schweiz setzen sie eher auf den politischen Weg. Doch diese Form des Engagements ist nicht für alle zugänglich, da nicht alle den gleichen Durchhaltewillen oder die gleichen Möglichkeiten haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Klimastreiks sind beispielsweise noch nicht alle im Stimmrechtsalter.

Hollenstein versteht den Frust junger Menschen darüber, dass sich die politischen Mühlen langsam drehen. Doch sie appelliert, nicht aufzugeben, laut zu sein und die Kraft zu finden, weiter Massnahmen zu fordern. «Kollektiv lässt sich die Machtlosigkeit besser überwinden und in guter Gemeinschaft – wie bei uns KlimaSeniorinnen – kann das grosse Engagement sogar lustvoll sein.» Wichtig ist dabei auch, dass die Generationen zusammenarbeiten. Die Klima-Seniorinnen nehmen auch an den Klimastreiks teil. Letztlich verfolgen sie das gleiche Ziel wie jüngere Menschen.

Auch für diejenigen, die nicht auf die Strasse gehen wollen, sieht Hollenstein Möglichkeiten, sich zu engagieren. Für Stimmberechtigte sei Wählen und Abstimmen eine Pflicht in unserer Demokratie. Handlungsmöglichkeiten gibt es viele. Hollenstein selbst nutzt regelmässige Posts im WhatsApp-Status, um auf Abstimmungen aufmerksam zu machen: «Es darf auch ein Aufkleber auf dem Auto mit der Nein-Parole zum Autobahn-Ausbau sein.»