Bemerkenswerte Tessiner Bahnhöfe
Der FLUX-Preis 2023 rückt das Tessin in den Blickpunkt. Der von A bis Z zu einem Begegnungsraum umgestaltete Bahnhof von Bellinzona trägt den Sieg davon. Chiasso und Mendrisio erhalten eine lobende Erwähnung.
Beim Verkehrsknotenpunkt Bellinzona begrüsst die Jury die weiträumigen Auswirkungen der Eingriffe auf die Verkehrslenkung und den öffentlichen Raum. Denn die Umgestaltung des Bahnhofplatzes und seiner Umgebung führte zur Verbannung des Transitverkehrs aus dem Zentrum. Alle Strassen in Bahnhofnähe profitieren von verkehrsberuhigenden Massnahmen und der Fussgängerweg verläuft ungekünstelt in Richtung Stadtzentrum.
Die Stadtbuslinien verkehren ab beiden Seiten des Bahnhofplatzes, jene in die Region ab einem verspiegelt überdachten Mittelperron mit mehreren Haltestellen hintereinander in der ehemals befahrenen Via Nadi. Mit Ausnahme des Busverkehrs herrscht auf dem als Begegnungszone gestalteten Platz Einbahnverkehr. In unmittelbarer Nähe zum Bahnhof wurden zunächst 340 gedeckte Abstellplätze für Velos, aber auch 150 Autoparkplätze und 50 Plätze für motorisierte Zweiräder geschaffen.
Benutzerfreundlich und intuitiv
Für Reisende, die den Bahnhof verlassen, seien die Wege nördlich zu Taxis, Velos und Bikesharing, südlich zu den Regionalbussen und im Zentrum zu den Stadtbussen beziehungsweise Richtung Altstadt offensichtlich und unmittelbar, hebt die Jury hervor. Auch fürs kurze Anhalten zum Ein- und Aussteigenlassen sei genügend Platz vorhanden. Die Bahnhofhalle ist nun als offener Raum gestaltet, eine Mischung aus Galerie und gedecktem Platz. Im Gebäude befinden sich Geschäfte, eine Apotheke, eine Kaffeebar, eine Konditorei sowie weitere Dienstleistungen.
Der Bahnhofplatz fällt sanft ab und ist gepflästert. Die verschiedenen Ebenen zwischen dem Bahnhofsgebäude und dem Platz gehen via eine Reihe von Stufen und Podesten ineinander über. Dies trägt zusammen mit den Bänken in der Begegnungszone in hohem Mass zu einem Platz mit lebendiger Atmosphäre bei. Die Perrons sind über eine Unterführung und zwei Fussgängerbrücken zugänglich. Die neue Anordnung erlaubt es, im Bahnhof Bellinzona bequem umzusteigen, und macht den Verkehrsknoten zu einem echten Treffpunkt.
Der Bahnhof von Mendrisio hat sich schön gemacht und ist praktischer geworden. Auf dem Platz daneben kommen alle Buslinien zusammen. Neuerdings steht hier eine markante, sorgfältig gestaltete Säulenreihe. Sie trägt eine Überdachung, die vor Regen und Sonne schützt und sowohl tagsüber als auch bei Nacht für attraktive Licht- und Schattenspiele sorgt. Das ganze Bahnhofsviertel wirkt mit Fachhochschule, neuen Geschäften, Kräuterkübeln und einem Brunnen sehr lebendig. Ebenfalls sorgfältig gelöst sind Wegweisung und Beschilderung, die den weniger mobilen Reisenden nicht zuletzt mit elektronischen Anzeigen und Ansagen das Fortkommen erleichtern. Zurzeit steht noch die zweite, sehnlichst erwartete Etappe aus: Der Transitverkehr soll umgeleitet und die Umgebung des Bahnhofs zu einer Begegnungszone umgestaltet werden.
Das zwischen der Grenze zu Italien und der Eisenbahn eingeklemmte Chiasso hat es verstanden, sich in einem beengten Umfeld neu zu erfinden. Entscheidend dafür war das Sperren der Strasse vor dem Bahnhof für den Durchgangsverkehr. Damit liess sich der Bahnhofplatz in eine Begegnungszone verwandeln, die diesen Namen verdient: «Kiss-and-Ride»-Zone, Parkplätze für diverse Verkehrsmittel, sichere Fuss- und Velowege. Chiasso wird von acht Linien der Schweizer und der italienischen Bahnen bedient. Mit seiner prächtigen Fassade aus Osogna-Granit ist das Gebäude im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung aufgeführt. Eben wurde die Aussenrenovation abgeschlossen, jene im Innern ist noch in Gang.
Der FLUX-Preis
Der VCS, Postauto, der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und die Litra, Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr, verleihen jährlich einem vorbildlichen Verkehrsknoten in der Schweiz den FLUX-Preis. Der Knoten hat im Betrieb zu überzeugen und die öffentlich zugänglichen Räume müssen ansprechend gestaltet sein. Das Umsteigen muss so angenehm und sicher wie möglich vonstattengehen. Die Jury besteht aus acht Personen, darunter VCS-Geschäftsführer Anders Gautschi, und verleiht der jeweiligen Standortgemeinde einen Preis von 5000 Franken.