12 Gründe für Tempo 30
Die täglich tausendfach erlebten Vorteile von Tempo 30 auf Strassen im Siedlungsbereich sind durch zahlreiche Forschungsberichte gut dokumentiert.
Es profitieren nicht nur jene, die am Verkehr teilnehmen, sondern alle, die sich im Strassenraum aufhalten, an einer Strasse wohnen, Erholung im Nahumfeld suchen – und nicht zuletzt auch das ortsansässige Gewerbe.
- Tempo 30 erhöht die Sicherheit
- Tempo 30 ist Lärmschutz an der Quelle
- Tempo 30 für attraktive und sichere Wege zu Fuss
- Tempo 30 für durchgängig sichere Velofahrten
- Tempo 30 für attraktive Wohnquartiere
- Tempo 30 verbessert den Verkehrsfluss
- Tempo 30 für ein attraktives ÖV-Angebot
- Tempo 30 wertet den öffentlichen Raum auf
- Tempo 30 fördert eine rücksichtsvolle Verkehrskultur
- Tempo 30 schützt das Klima
- Tempo 30 fördert die Bewegung im Alltag
- Tempo 30 ist wirtschaftlich sinnvoll
1. Sicherheit
Rund 60 % aller schweren Verkehrsunfälle in der Schweiz passieren innerorts. Gemäss Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) erleiden jedes Jahr 1900 Verkehrsteilnehmer/innen auf Straßen mit Tempo 50 schwere Verletzungen und 80 weitere verlieren ihr Leben. Die meisten von ihnen waren zum Zeitpunkt des Unfalls zu Fuss, mit dem Motorrad oder dem Fahrrad unterwegs. Mindestens ein Drittel dieser schweren Unfälle liesse sich verhindern, wenn Tempo 30 innerorts überall dort eingeführt wird, wo es die Verkehrssicherheit erfordert.
Mit Tempo 30 haben wir, im Vergleich zu Tempo 50, mehr Zeit für die Informationsaufnahme, der Anhalteweg halbiert sich und das Risiko für Fußgänger/innen, bei einem Zusammenstoss mit einem Fahrzeug zu sterben, ist sechsmal kleiner. Am meisten profitieren von Tempo 30 die Fussgängerinnen und Fussgänger, Velo- und Motorradfahrende, Seniorinnen und Senioren sowie die Kinder auf ihrem Schulweg oder in der Freizeit.
Besonders gross ist das Potenzial zur Verringerung der Opferzahlen auf verkehrsorientierten Strassen.
2. Lärmschutz
Durch die Temporeduktion von 50 auf 30 km/h nimmt der Lärm um drei Dezibel ab. Das entspricht in der akustischen Wahrnehmung einer Halbierung des Verkehrs. Zusätzlich nehmen die besonders störenden Lärmspitzen überproportional ab.
Die Strasseneigentümer sind verpflichtet, die Bevölkerung vor schädlichem Lärm zu schützen, primär mit Massnahmen an der Quelle. Das Bundesgericht bestätigte seine Rechtsprechung im Jahr 2018 erneut, indem es unmissverständlich festhielt, dass eine Geschwindigkeitsreduktion, insbesondere 30 km/h, eine wirtschaftlich tragbare und wirksame Massnahme zur Bekämpfung von Strassenlärm ist.
3. Fusswege
Wer zu Fuss geht, ist sicherer unterwegs – subjektiv und objektiv: Mit Tempo 30 verbessert sich die gegenseitige Kommunikation, das Queren der Strasse fällt leichter, die Wartezeiten nehmen ab.
Tiefere Tempi eröffnen der Verkehrsplanung zudem mehr Gestaltungsspielraum und erlauben breitere Gehwege.
4. Velo
Für ein durchgängig sicheres Velowegnetz müssen auch die verkehrsorientierten Strassen miteinbezogen werden.
Velofahrerinnen und Velofahrer fühlen sich dank geringerer Tempodifferenzen bedeutend sicherer. Ihr Unfallrisiko vermindert sich um mehr als einen Drittel.
5. Wohnquartiere
Ruhige Wohnlage am Tag und in der Nacht, sichere Wege zu Fuss oder mit dem Velo für Jung und Alt ab der Haustüre: Der hohe Nutzen von Tempo 30 im Wohnquartier wird heute kaum mehr bestritten. Aber dennoch harzt es vielerorts mit der Umsetzung.
Heute leben erst rund 40 % der Bevölkerung an einer Strasse mit Tempo 30. Das sind viel zu wenig, denn: «Ruhe ist nicht nur eine wertvolle Ressource für Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung, sondern auch ein bedeutender Standortfaktor.»
Weil mit Tempo 30 die Lärmgrenzwerte besser eingehalten werden können, gibt es auch mehr Spielraum für die Siedlungsentwicklung.
6. Verkehrsfluss
Auf den Verkehrsfluss und die Leistungsfähigkeit der Strasse wirken sich folgende Faktoren positiv aus:
- die konstantere Fahrweise
- weniger Beschleunigungs- und Bremsvorgänge
- bessere Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmenden
- weniger grosse Geschwindigkeitsunterschiede
- geringere Sicherheitsabstände.
Die Wartezeiten bei Fussgängerquerungen nehmen ab, auch für Autolenker. Tempo 30 bewährt sich deshalb ganz besonders auch auf verkehrsorientierten Strassen und wirkt dort stauvermindernd. Zudem: Mit jeder Autofahrt, die durch flächeneffizientere Fortbewegungsmittel (Fuss, Velo, ÖV) ersetzt wird, erhöht sich die Kapazität der Strasse.
Die Schweizerische Vereinigung der Verkehrsingenieure und Verkehrsexperten (SVI) hält in ihrem Forschungsbericht von 2019 fest: «Auf die Leistungsfähigkeit (maximale Anzahl Fahrzeuge pro Stunde) hat eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h meistens keinen massgeblichen Einfluss. (...) innerorts liegt die maximale Leistungsfähigkeit üblicherweise bei einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h.»
7. Öffentlicher Verkehr
Tempo 30 steht nicht im Widerspruch zu einem attraktiven Angebot des öffentlichen Verkehrs. Dank Tempo 30 gelangt die Kundschaft sicher zu Fuss zu den Haltestellen, und der Bus bleibt seltener im Stau stehen. Die geringe Fahrzeitverlängerung im Bereich von wenigen Sekunden bis Minuten (rund 1.5 Sekunden / 100 Meter) fällt im Vergleich zu den anderen Faktoren für einen attraktiven öV und einer mittleren Reisezeit von 90 Minuten pro Person und Tag kaum ins Gewicht.
Die Vorteile
- Sicherheit
Die Wege zum ÖV zu Fuss oder per Rad sind sicher. - Erreichbarkeit
Weil bei Tempo 30 die Strasse flächiger gequert werden kann, nehmen die Umwege ab und das «fussläufige» Einzugsgebiet der Haltestellen vergrössert sich. - Verkehrsfluss
«Positive Auswirkungen von T30 können sein: Verstetigung des Verkehrsflusses und kürzere Reisezeiten zu Hauptverkehrszeiten» (SVI-Forschungsbericht 2019). Weniger Stau ist gleichbedeutend mit mehr Fahrplanstabilität und besser funktionierenden Anschlüssen.
Zu beachten
Geringe Verlängerungen der Reisezeiten sind möglich. In bestimmten Situationen ist zu beachten, dass eine Erhöhung der Umlaufzeiten zu Sprungkosten führen kann, weil ein zusätzlicher Bus eingesetzt werden muss. Oft können ÖV-Priorisierung und MIV-Management die Effekte der Geschwindigkeitsreduktion mehr als kompensieren.
8. Öffentlicher Raum
Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum steigt – sowohl im Wohnquartier wie auch entlang verkehrsorientierten Strassen oder im Dorfzentrum.
Tempo 30 animiert dazu, vermehrt zu Fuss zu gehen oder das Velo zu nehmen. Aber auch zum Verweilen, zu Spiel und Begegnung, zum Einkaufen oder Einkehren.
Die Fussgängerinnen und Fussgänger wiederum beleben den öffentlichen Raum – ein sich positiv verstärkender Wirkungskreis entsteht.
Tempo 30 lässt schmalere Strassen zu. Dadurch entsteht Raum für Bäume und Grünflächen.
9. Rücksicht
Geringere Tempounterschiede und mehr Zeit für die Kommunikation bewirken eine bessere Koexistenz zwischen Motorisierten und Nichtmotorisierten. Das System wird fehlertoleranter und nimmt Rücksicht auf eingeschränkte Möglichkeiten der älteren Verkehrsteilnehmenden.
Die Vorzeichen ändern sich: von einer Verkehrskultur des Gegeneinanders zu einer des Miteinanders.
10. Klimaschutz
Je attraktiver das Velofahren und das Zufussgehen sind, desto eher bleibt das Auto unbenutzt stehen. Mit Tempo 30 wird die klimafreundliche Fortbewegung gefahrloser. Das gilt auch für den Einsatz von E-Cargo-Bikes für die Feinverteilung von Gütern im urbanen Raum und in den Agglomerationen.
Dank homogenem Verkehrsfluss und weniger Stop-and-Go reduziert sich beim motorisierten Verkehr der CO2-Ausstoss, bei der Elektromobilität sinkt der Stromverbrauch.
11. Bewegung
Regelmässige Bewegung zu Fuss oder mit dem Velo wirkt weit verbreiteten Beschwerden und gesundheitlichen Risiken entgegen und ist wichtig für unser physisches und psychisches Wohlbefinden.
Ob ein regelmässiges Sporttraining oder der tägliche Fussweg im Alltag: «Über das gesamte Altersspektrum hinweg bietet regelmässige körperliche Aktivität eine Vielzahl von Vorteilen, die uns helfen, uns besser zu fühlen, besser zu schlafen und die täglichen Aufgaben einfacher auszuführen.»
12. Wirtschaft
Tempo 30 ist mit einem hohen volkswirtschaftlichen Nutzen verbunden. Demgegenüber fallen die Planungskosten sowie der Aufwand für Signalisations- und bauliche Begleitmassnahmen bescheiden aus.
Beim volkswirtschaftlichen Nutzen von Tempo 30 zu berücksichtigen sind
- das Vermeiden von Kosten:
Unfallkosten (Spitalaufenthalt, Arbeitsausfall, Versicherung, soziale Last), Gesundheitskosten (Erkrankungen infolge von Verkehrslärm oder Bewegungsmangel) und die Kosten im Zusammenhang mit dem Klimawandel. - der ökonomische Gewinn:
Standortvorteil, indem Wohnquartiere und Wohnlagen an Verkehrsachsen attraktiver werden. Wirtschaftliche Belebung der Ortszentren. Der öffentliche Raum kann vielseitiger/intensiver genutzt werden. «Anfänglich wird vom lokalen Gewerbe teilweise eine herabgesetzte Erreichbarkeit für den MIV befürchtet. In verschiedenen Beispielen (Horw, Köniz) wurde aber die Erreichbarkeit sogar erhöht, was sich auch positiv auf die Geschäftsentwicklung auswirkt.»
Die Einführung von Tempo 30 muss nicht zwingend teuer sein
«Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen kann einfach und pragmatisch umgesetzt werden. Es braucht nicht zwingend bauliche Massnahmen, und Fussgängerstreifen können grundsätzlich belassen werden.»
Quelle: VSS 2020
Kostenmässig von Vorteil sind die flächendeckende Einführung von Tempo 30 und die Abstimmung mit anfallenden Sanierungsarbeiten im Strassenraum. «Je grossräumiger Tempo 30 abseits der Hauptachsen, umso besser wird diese Höchstgeschwindigkeit auch mit wenigen baulichen Verkehrsberuhigungselementen eingehalten.» (Lindenmann, H.P., Koy, T., 2000). «Auch bereits das Signalisieren ohne bauliche Massnahmen senkt das V-Niveau.» (SVI 2019)
Die Gegenargumente im grossen Faktencheck.