Wie der Bund den Willen der Regionen übersteuert
Die Projekte über den Autobahn-Ausbau des Bundes stossen in den betroffenen Regionen teils auf erbitterten Widerstand. Häufig sind diese dem Ausbauwahn des Bundes jedoch fast machtlos ausgeliefert.
Klagen über links-grüne Verhinderungspolitik sind oft zu hören, gerade auch, wenn es um Verkehrsfragen geht. Häufig geht dabei vergessen, dass die Ausgangslage gerade in diesen Fällen eine besondere ist. Kaum andere Infrastrukturen von sogenannt «nationaler Bedeutung» tangieren die städtischen Gebiete so stark wie die Autobahnen (oder eben euphemistisch: Nationalstrassen). Und trotzdem bleibt das Mitspracherecht der Gemeinden, wenn es darum geht, wie sie verkehrstechnisch erschlossen werden möchten, stark beschränkt.
Freie Fahrt für den Fortschritt?
Das ist, wie so oft in der Politik, kein Zufall. Während über eine Handvoll Solarpanels in den Bergen auch in Zukunft eine Gemeindeversammlung entscheiden darf, hat der Bund seit über 60 Jahren die alleinige Kompetenz, das Land mit Autobahnen vollzupflastern. Dabei ist er nicht verpflichtet, Rücksicht auf die lokalen Befindlichkeiten zu nehmen. Zu Beginn der Netzplanung in den 1950er- Jahren waren Autobahnen gleichbedeutend mit Fortschritt. Und diesem Fortschritt waren die Bedenken von Anwohnenden und Quartiervereinen oder die aufkeimende Umweltschutzbewegung im Weg.
Um den Autobahnbau nicht durch Lappalien zu behindern, wurden die politischen Einflussmöglichkeiten der Gemeinden und Kantone bewusst möglichst kleingehalten. Was für die föderalistische Schweiz doch höchst untypisch ist.
Bremsen lohnt sich!
Wer also ein Autobahnprojekt bekämpfen will, muss dies zumindest theoretisch auf nationaler Ebene tun. Das erschwert den Aufwand ungeheuer. Ein Beispiel dafür waren die «Kleeblattinitiativen» des VCS, über die 1990 abgestimmt wurde. Darin wurden «autobahnfreie Landschaften» in verschiedenen Regionen gefordert. Trotz fehlender Volksmehrheit leisteten die Initiativen einen erheblichen Beitrag zu einer verbesserten Linienführung der A4 im Knonauer Amt und der A1 um Yverdon sowie der Autobahnen im Mittelland.
Trotz nationaler Planungshoheit liegt der Schlüssel zum Erfolg beim Kampf gegen Autobahn-Ausbauten häufig auf Kantonsebene. Es braucht zwar viel Überzeugungsarbeit, um Kantonsregierungen davon abzubringen, die in Beton gegossenen Geschenke aus der Bundeskasse anzunehmen. Doch unter dem Druck der eigenen kantonalen Wählerschaft erwachte bisweilen schon manche kantonale Baudirektion aus ihrem Autobahn-Bauwahn.
Lasst uns einen Zirkus machen
Letztmals geschah dies in den 2010er-Jahren Biel nach lebhaftem Widerstand in Form von Demonstrationen, Festen und Petitionen gegen den sogenannten Westast, für den mehrere Löcher in die Stadt gerissen worden wären. In St. Gallen wurde einst ein als Autobahn-Anschluss vorgesehener Platz im Stadtzentrum mit der Installation eines Zirkusses gerettet.
Auch beim aktuellen Ausbauschritt gibt es an allen betroffenen Orten bereits Widerstandskomitees, welche die Projekte des Bundes auf lokaler Ebene zu verhindern versuchen. Dazu kommen inzwischen auch zahlreiche Vorstösse in Stadt- und Gemeindeparlamenten und Positionsbezüge von Stadtregierungen gegen die Autopolitik des Bundesamtes für Strassen ASTRA.
Im Abstimmungskampf gegen den masslosen Autobahn-Ausbau wird dieser lokale Widerstand eine wichtige Rolle spielen. Er vermittelt der Bevölkerung die Schwachstellen der einzelnen Projekte. Und idealerweise trägt der Abstimmungskampf dazu bei, Menschen auch ausserhalb der aktuell betroffenen Regionen zu vernetzen. Denn egal, wie das Abstimmungsergebnis am 24. November lauten wird, der nächste Ausbauschritt kommt bestimmt. Und dann braucht es erneut Widerstand – oder einen Zirkus.