Und es geht doch
Tempo 30 wird häufiger eingeführt und gilt auch für immer mehr Strassen, auf denen Busse und Trams unterwegs sind. Während der Nutzen von Geschwindigkeitsreduktionen belegt ist, stehen die Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr oft im Mittelpunkt der Diskussionen.
Tempo 30 und ein starker ÖV sind Schlüsselgrössen für eine sichere, umweltfreundliche und flächeneffiziente Mobilität. Zusammen ermöglichen sie attraktive Siedlungsräume. Jüngst war in Zusammenhang mit der Einführung von Tempo 30 immer wieder die Rede von negativen Auswirkungen auf den ÖV. Doch die Milchbuchrechnung – tiefere Tempi gleich längere Fahrtzeiten –, lässt sich nicht eins zu eins auf die komplexe reale ÖV-Betriebssituation ummünzen. Um die tatsächlichen Auswirkungen von Tempo 30 auf den ÖV zu kennen, hat der VCS bei der Metron Verkehrsplanung AG eine Grundlagenstudie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Grundlagenstudie zeigen, dass Tempo 30 und ein guter ÖV mit den geeigneten Instrumenten vereinbar sind.
Es ist unbestritten, dass Temporeduktionen die Fahrtzeit verlängern; für Busse sind es im Mittel 1,5 Sekunden pro 100 Meter. Doch der Zeitverlust für Busse und auch für Trams ist kleiner als erwartet: Sie verkehren aus verschiedenen Gründen meist deutlich langsamer, als es die signalisierte Höchstgeschwindigkeit erlauben würde. Das gilt insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten und in dicht besiedelten Gebieten mit vielen Haltestellen und Lichtsignalanlagen, aber auch auf Hauptverkehrsachsen mit Vortrittsrecht.
Werden die Fahrpläne angepasst und bleiben die Umsteigezeiten gewährleistet, stellen geringfügig längere Fahrtzeiten auf Bus- oder Tramstrecken für die Fahrgäste keine Einschränkung dar. Hingegen profitieren sie von den positiven Auswirkungen von Tempo 30 auf den öffentlichen Raum. Verlagerungen vom ÖV auf den motorisierten Individualverkehr sind eher nicht zu erwarten, da Tempo 30 für alle gilt.
Konzept des Miteinanders
Die insgesamt geringen Auswirkungen müssen individuell betrachtet werden und lassen sich oft mit geeigneten Massnahmen minimieren oder vermeiden. Denkbar sind ÖV-Korridore mit geeigneten Vortrittsregelungen ohne bauliche Hindernisse, Verkehrsmanagement zur Stauverhinderung, die Gestaltung der Haltestellen mit dem Bus als «Pulkführer» oder die Beschleunigung in Knoten oder auch Eigentrassierung.
Zu einer Herausforderung werden längere Fahrtzeiten dann, wenn es eine Fahrplananpassung oder gar zusätzliche Fahrzeuge braucht. Gerade letzteres ist mit hohen Zusatzkosten verbunden. Doch der ÖV wird in der Regel durch die öffentliche Hand bestellt und (mit-)finanziert. Deshalb sollte für eine finanzielle Gesamtbetrachtung auch der volkswirtschaftliche Nutzen von Tempo 30 berücksichtigt werden: die Reduktion der externen Kosten im Verkehr, die erhöhte Verkehrssicherheit oder die Reduktion der Emissionen.
Gesamthaft betrachtet
Die Einführung von Tempo 30 darf keine isolierte Anpassung der Signalisation sein. Auf Verkehrsachsen mit ÖV-Betrieb empfehlen die Studienautoren vor der Einführung von Tempo 30 eine ganzheitliche Betrachtung und den Einbezug aller betroffenen Stellen und Anspruchsgruppen. So kann auch den Auswirkungen auf den ÖV Rechnung getragen werden.
In die Pflicht genommen werden muss auch der Bund: Er unterstützt die Forschungsarbeit und stellt den Kantonen, Transportunternehmen und Ausbildungsstätten geeignete Fachbroschüren und Planungshilfen zur Verfügung. Wo zweckmässig, braucht es Beschleunigung und Priorisierungsmassnahmen für den ÖV, auch unter Einbezug der Technologieentwicklung (zum Beispiel intelligente Signalsteuerung, elektronische Busspur). Die neu verankerte Planungspflicht für sichere und durchgängige Velowegnetze kann genutzt werden, um Konflikte oder Behinderungen in Bezug auf den ÖV zu erkennen und zu vermeiden.