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26. Februar 2025
Politiker
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SVP, FDP und Mitte greifen Tempo 30 bis jetzt erfolglos an

Das Umweltschutzgesetz verlangt, dass die Bevölkerung vor gesundheitsgefährdendem Strassenlärm geschützt wird. An dicht befahrenen Hauptstrassen muss deshalb teils Tempo 30 statt 50 – oder ausserorts Tempo 60 statt 80 – signalisiert werden. Politikerinnen und Politiker von SVP, FDP und Mitte haben diese Errungenschaft für die Lebensqualität in den letzten Monaten angegriffen – bis jetzt erfolglos.

Eigentlich ging es um etwas ziemlich Technisches: Wo in einer Wohnung soll gemessen werden, ob die Lärmschutzvorschriften eingehalten werden? Einfallsreiche Architektinnen und Architekten kamen auf die Idee, dass neue Wohnungen bewilligt werden könnten, wenn sie gegen die lärmige Strasse statt Schlafzimmer, Badezimmer und Küche planen. Behörden und Gerichte waren sich uneinig, ob dies legal sei. Wie häufig in solchen Fällen sollte die Politik entscheiden. Aus dieser baulichen Spitzfindigkeit ohne direkte Auswirkungen auf den Autoverkehr haben ein paar Politiker eine Debatte losgetreten, die bald sehr grundsätzlich wurde: Ist möglichst schnelles Autofahren oder Lärmschutz wichtiger?

Ist möglichst schnelles Autofahren oder Lärmschutz wichtiger?

Entmündigung gescheitert

Während auf Quartierstrassen Tempo 30 oder Begegnungszonen (mit Tempo 20) unbürokratisch signalisiert werden können, ist dies auf Hauptstrassen heute nur möglich, wenn die Lautstärke des Verkehrs nachweislich gesundheitsschädigend ist oder die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsfluss dies nötig machen. Der SVP und ihrem ACS-Präsidenten passte das nicht. Er hat die Debatte zu strassenseitigen Badezimmerfenstern missbraucht und vorgeschlagen, dass künftig ausnahmslos nie mehr verlangt werden darf, auf Hauptstrassen aus Lärmschutzgründen weniger als Tempo 50 innerorts oder Tempo 80 ausserorts zu signalisieren. Egal, was ein kantonales Strassengesetz für die Kantonsstrassen vorsieht. Egal, was eine Gemeindeversammlung beschliesst oder ein Gericht urteilt und egal, wie ohrenbetäubend der Lärm ist: Über Temposchilder an Hauptstrassen werde am besten ein für alle Mal in Bern entschieden.

So stellte sich das im letzten Jahr die SVP und – bevor ihre Ständerätinnen und -räte interveniert hatten – auch die grosse Mehrheit der Nationalrätinnen und -räte der Mitte und der Freisinnigen vor. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die gleiche SVP in früheren Jahren fleissig Unterschriften für lokale Volksinitiativen gesammelt hatte: Wo sie beim Kampf für höhere Tempos quer durch Städte vor Gericht keine Chance hatte, sollte ihr die Bevölkerung vor Ort gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen aus der Patsche helfen. Mit ihrem Erfolg bei den Nationalratswahlen 2023 drehten die Bürgerlichen den Spiess um: Statt auf lokalen Widerstand zu setzen, sollte nun im Bundeshaus aufs Gaspedal gedrückt werden – beim vom Bund verlangten Recht auf Lärmschutz.

Das brauchte unmissverständliche – und wirksame – Referendumsandrohungen von Seiten des VCS. Und von Städten und Gemeinden. Denn diese wollten sich nicht entmachten lassen, wenn es darum geht, ihrer Bevölkerung schlaflose Nächte zu ersparen.

Der nächste Angriff folgt sogleich

Ungeachtet dieses gescheiterten Versuchs möchte ein FDP-Nationalrat (und TCS-Vorstandsmitglied) auf Hauptstrassenabschnitten seltener Tempo 30 (statt 50) signalisiert sehen. Mehr dazu lesen Sie auf den Seiten 20 und 21. Immerhin macht der Temporausch der Autobahn- und Strassenfreunde halt vor Quartierstrassen: Tempo-30-Zonen in Wohnquartieren fernab der Hauptstrassen sind heute landauf, stadtab eine Selbstverständlichkeit. Eine Errungenschaft des Gegenvorschlags zur VCS-Volksinitiative «Strassen für alle» vor 25 Jahren.