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8. August 2024
Bologne piazzamaggiore
Camille Marion

Feinschmeckerlabyrinth Bologna

Die Hauptstadt der Emilia-Romagna hat so viele Spitznamen wie Gesichter. Von der Schweiz aus genügen wenige Zugstunden, um sie zu erreichen und sich in ihre Magie und das Dolcevita zu stürzen.

Eingebettet in die sanften Ausläufer des Apennins liegt Bologna in der Mitte zwischen der in Dunst gehüllten Poesie Venedigs und der bis ins Mittelalter zurückreichenden Geschäftigkeit von Florenz. Im Frühlingslicht erwachen die Farben der Stadt, die Strassencafés beleben sich, die Marktstände brechen fast unter dem Gewicht der Frischprodukte und auch das kulturelle Leben regt sich wieder. Der ideale Zeitpunkt also, um diese Stadt mit ihren drei Gesichtern zu erkunden: Bologna, die Rote, mit ihrem historischen Gebäudebestand und ihrer herzlichen Ambiance. Bologna, die Studentenstadt, mit einer der ältesten Universitäten der Welt. Bologna, die Hauptstadt der italienischen Gourmets, wo jedes Essen ein Festmahl ist.

Bologna «la rossa»

Die imposante Via Indipendenza bildet das Rückgrat vom Bahnhof bis ins Zentrum der Stadt. Unter hohen Arkaden mit vielen Geschäften hindurch erreicht man die Piazza Maggiore, den Mittelpunkt Bolognas. Vom Neptunbrunnen aus hat man die Gebäude im Blick, die den Platz umranden. Den Beinamen «la rossa» trägt die Stadt, weil viele der Gebäude aus Backsteinen in allerlei Rottönen gebaut sind.

Die Basilika San Petronio beherrscht mit ihrer etwas speziellen Fassade den Hauptplatz. Als im 14. Jahrhundert mit dem Bau begonnen wurde, sollte sie zum grössten Kirchenbau ihrer Zeit werden, grösser noch als der Petersdom in Rom. Die Arbeiten gingen jedoch stockend voran und erzählen von der wechselhaften Geschichte der Stadt. So blieb etwa die Fassade unvollendet und nur ein Teil davon ist mit Marmor verkleidet. Im Palazzo del Podestà gleich gegenüber verbirgt sich ein kleines Geheimnis: Dank einer akustischen Besonderheit kann man sich vom Zentrum aus auch mit leiser Stimme mit jemandem verständigen, der in einer der vier Ecken steht, die das Gewölbe tragen.

An der Ecke der Piazza Maggiore schmückt ein Glockenturm den Palazzo d’Accursio, in dem sich das Rathaus, aber auch eine Kapelle und die städtische Kunstsammlung befinden. Vom Turm aus hat man einen wunderschönen Blick auf die Stadt. Im Mittelalter gab es mehr als hundert dieser von adeligen Familien errichteten Türme, die der Verteidigung dienten, aber auch vom Reichtum der Erbauer künden sollten. Viele dieser Familientürme sind verschwunden, die zwei bekanntesten sind jedoch nur einen Steinwurf entfernt: Die Torre della Garisenda mit ihrer so unverwechselbaren Neigung, dass sie in Dantes «Göttliche Komödie» einging, sowie die schwindelerregend hohe Torre degli Asinelli.

Bologna «la dotta»

Das Gegenstück zur Vertikalen der Bologneser Türme bilden über vierzig Kilometer Arkaden in allen Rottönen. Der berühmteste Laubengang Bolognas ist auch der längste der Welt. Er führt vier Kilometer und 664 Bogen weit vom Stadtzentrum zum Heiligtum der Madonna di San Luca. Die Geschichte der Arkaden ist eng mit jener der Bologneser Universität verbunden. Sie wurde 1088 gegründet, gilt als die älteste Universität der westlichen Welt und dehnte sich im Mittelalter stark aus, was zu einer grossen Nachfrage nach Wohnraum für die Studenten führte. Weil von Gesetzes wegen die Gebäude weder aufgestockt noch vergrössert werden durften, behalf man sich mit einem Trick: Man baute bloss ab dem ersten Stock weiter gegen die Strasse hinaus und stützte diesen auf Pfeilern ab. Der Stadtregierung passte die geniale Idee so gut, dass sie bei jedem Neubau das Anlegen von Arkaden verlangte.

Die Fakultäten der Uni Bologna sind über die ganze Stadt verstreut. Ihren Sitz hatten sie ursprünglich unweit der Piazza Maggiore im Palazzo dell’Archiginnasio. Anfang des 19. Jahrhunderts liess Napoleon den Hauptsitz der Universität in den altehrwürdigen Palazzo Poggi an der Via Zamboni verlegen. In diesem Quartier mit seinen Bars und Cafés sind viele Studentinnen und Studenten unterwegs.

Wer es gerne ruhig mag, geht weiter bis zum etwas ausserhalb des Zentrums gelegenen Cimitero Monumentale della Certosa. Der Friedhof ist mit seinen Monumenten, Statuen und spitz zugeschnittenen, runden Büschen eine Art Freilichtmuseum.

Bologna «la grassa»

Essen ist in Bologna eine ernste Angelegenheit und geteilte Freude in einem. In den engen Gassen des Zentrums bieten traditionsreiche Geschäfte ihre leckere Ware feil, eine wahre Explosion von Farben und Gerüchen. Wer hier «spaghetti alla bolognese» sucht, liegt allerdings falsch: Das typische und authentische Gericht nennt sich «tagliatelle al ragù» und besteht aus frischen Eiernudeln (nicht den klassischen Trockenteigwaren) mit einer schmackhaften Sauce aus langsam geschmortem Hackfleisch. Crescentine, Gramigna alla Salsiccia, Lasagne verdi, Tortellini in Brodo – die Kunst der frisch zubereiteten Teigwaren wird in Bologna hochgehalten.

Für Leute mit dicht gedrängtem Programm bieten Stände allerlei «fast food» im besten Sinne an, etwa «piadina», das für die Emilia-Romagna charakteristische, nach Wunsch gefüllte Fladenbrot. Eine «gelateria artisanale» im Stadtzentrum bildet den krönenden Abschluss unserer Schlemmerei und zugleich unseres Aufenthalts in Bologna. Mit einer Glace in der Hand treten wir aus den Arkaden hinaus auf den Boulevard. Am Wochenende sind die auf die Piazza Maggiore führenden Hauptadern verkehrsfrei, sicher und frei von Abgasen. Die Kaffees stellen Tische und Stühle auf ihren von der Sonne gewärmten Vorplatz und laden zu einem Glas Pignoletto oder einer kühlen Limonade.

 


 

Einige Empfehlungen
  • Den Sonnenuntergang über Bologna von der Aussichtsterrasse der Kirche San Michele in Bosco aus bewundern, die eine halbe Stunde zu Fuss von der Piazza Maggiore entfernt liegt.
  • Einen Spaziergang über den Friedhof von Certosa machen, der zu den ältesten in Europa gehört. Dieses wahre Freilichtmuseum beherbergt bemerkenswerte Denkmäler, Statuen und aussergewöhnliche Kunstwerke. Auf dem Mercato delle Erbe, einer hübschen Markthalle mit frischen Produkten aus der Region, einkaufen.
  • Sich von den reichen Sammlungen des Museo Poggi überraschen lassen. Anatomie, Botanik, Zoologie, aber auch Marine- und Militärkunst – dieses Universitätsmuseum ist spannend.
  • In La Sorbetteria Castiglione ein köstliches hausgemachtes Eis geniessen.