Das bisschen Mathematik …
Politische Fragen im Allgemeinen – und Abstimmungsfragen im Besonderen – sind fast immer auch finanzielle Fragen. Doch wie korrekt ist dieses Preisschild – insbesondere im Fall des geplanten Autobahn-Ausbaus?
Von Nelly Jaggi
Es ist ein gerne genutzter Marketingtrick: Mit der Aussicht auf einen (finanziellen) Vorteil lassen sich Kundinnen und Kunden leichter von einem Kauf überzeugen. Solche Zahlentricks funktionieren auch bei politischen Fragen. So hat das Bundesamt für Strassen ASTRA für das letzte Jahr 48 000 Staustunden auf Autobahnen gezählt. Die Zeit also, in denen Handwerkerinnen und Skitourengänger in ihrem Fahrzeug zum Nichtstun und Warten verdonnert sind – bis es dann wieder ein paar Meter weitergeht. Daraus errechnet das ASTRA Kosten. Sehr theoretischer Natur – so hat die verlorene Stunde von Malermeisterin Petra Heierli vermutlich einen anderen Wert als jener Zeitverlust, den Kaspar Bieri auf dem Rückweg aus den Bergen einfährt. Das ASTRA mutmasst, dass ein Autobahn-Ausbau weniger Stau bringt – und errechnet daraus einen sogenannten volkswirtschaftlichen Nutzen von 184 Millionen Franken jährlich.
Weniger Nutzen, mehr Kosten!
Allerdings sind die Ansätze, mit welchen diese Staukosten berechnet werden, in die Jahre gekommen. Selbst die Strassenbranche findet, die Zahlen seien nicht mehr aktuell, und hat darum neue, genauere Werte definiert. Mit den aktualisierten Zahlen würde der Nutzen um rund zwei Drittel kleiner ausfallen. Dem ASTRA gefällt das offenbar nicht und es rechnet nach wie vor mit den Werten aus dem Jahr 2009. Die «NZZ am Sonntag » wollte im Spätsommer wissen, ob und wann man die Praxis ändere. Vorderhand nicht, war der Bescheid. Denn die neuen Zeitkostenansätze seien in der Branche noch in Diskussion. Man setze sie ein, wenn diese Debatte abgeschlossen sei – jedenfalls aber erst nach der Abstimmung über den Autobahn-Ausbau.
Strassenverkehr verursacht auch hohe externe Kosten. Das sind Ausgaben, die er zwar bewirkt, aber nicht deckt. Etwa Gesundheitskosten wegen Lärms oder Luftverschmutzung, Produktionsausfälle nach Unfällen oder Folgeschäden des CO2-Ausstoss. 2021 resultierten daraus fast elf Milliarden externe Kosten. Nun wurde publik, dass auch diese Berechnungen nicht mehr zeitgemäss sind. Sie basieren auf Erkenntnissen aus den 2000er-Jahren und gelten gemeinhin als «konservativ ». Aktuellere Werte sind wohl vorhanden, nur versuchte sie Albert Röstis UVEK unter dem Deckel zu halten. Durchgesickert sind sie dennoch.
Der Schadenskostensatz für CO2 wird neu mit Fr. 430.– pro Tonne angegeben. Es ist zu betonen, dass selbst das Bundesamt für Raumentwicklung ARE diesen als «at least»-Ansatz bezeichnet, also als vorsichtige Schätzung. Die Lärmkosten – die noch nach der alten Methode errechnet wurden – dürften nach neuen Erkenntnissen die Kosten noch weiter ansteigen lassen.
Die Katze im Sack
Statt den elf Milliarden Franken von 2021 belaufen sich die externen Kosten für den Autoverkehr nun also auf mehr als 17 Milliarden Franken – ein Plus von über 60 Prozent. Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Kosten-Nutzen-Analyse der Autobahn-Ausbau-Projekte, die dem Stimmvolk am 24. November vorgelegt werden.
Bundesrat und Parlament verkaufen dem Stimmvolk mit ihrer Kosten-Nutzen-Analyse als Grundlage für den Entscheid über den Autobahn-Ausbau also die Katze im Sack. Es braucht eine Analyse auf den aktuellen Grundlagen.